Samstag 17. Oktober 2020
Bea schreibt: Alles ist vorbereitet und das Essen für den nächsten Tag vorgekocht. Wenn es viel Wind und Welle hat, kann man unten im Schiff nicht kochen, so machen wir das Essen vorher bereit. Wir sind in einer kleinen Bucht nahe bei Stintino im Norden Sardiniens und das Wetter ist regnerisch. Also Ölzeug anziehen und los gehts durch die Fornellipassage. Das ist eine schmale, untiefe Passage, die den Weg an die Westküste Sardiniens stark verkürzt. In der Fornellipassage hat es Steintürme, die genau in einer Linie hintereinander stehen müssen, um auf dem richtigen Kurs durch die Untiefen zu sein. Das kenne ich noch nicht wirklich und lerne dazu.
Wir haben ein passendes Wetterfenster abgewartet, es sollte zuerst noch mässigen Nordwestwind haben, der dann abflaut und auf Nordost dreht. Zuerst gehts zügig voran Richtung Westen doch dann flaut der Wind schneller ab und ist schwächer als vorhergesagt. Einen Teil der Strecke müssen wir motoren. In der Nacht wechseln wir uns im 2h-Takt ab, einer schläft, der andere hält Ausschau, checkt die Instrumente, korrigiert allenfalls den Kurs oder die Segelstellung.
Unterdessen haben wir schon einige Überfahrten gemacht und man wird durch Erfahrung immer sicherer und es klappt bei vernünftigen Verhältnissen auch ohne ergänzende Crew nur zu zweit ganz gut. Für mich persönlich ist eine Überfahrt immer eine körperliche Höchstleistung, denn man schläft wenig, isst zu unregelmässigen Zeiten, ist immer voll konzentriert und muss Strategien erlernen wie man gut mit dieser herausfordernden Aufgabe zurecht kommt. Wenn sich mein Körper auf den anderen Rhythmus eingestellt hat, ist es dann meist schon wieder vorbei.
Nach 35h Fahrt, gegen 20h, passieren wir nach Sonnenuntergang die Südostecke Menorcas, und da der Wind schwach ist, entscheiden wir uns in der nächsten, geschützten Bucht zu ankern und etwas zu schlafen. Ein Ankermanöver in einer unbekannten Bucht bei Dunkelheit ist tückisch. Da sind wir zu zweit gefordert mit der Lampe die Bucht ausleuchten, das Echolot gut im Blick haben und auch das Navigerät, damit wir sicher keine Untiefe, oder Felsen im Weg haben und einen geeigneten Platz finden. Doch alles klappt bestens und wir können uns bald aufs Ohr legen. Am Morgen wachen wir in einer wunderschönen Bucht auf.
Doch es geht gleich weiter nach Mallorca. Heute meint es der Wind besser mit uns und wir kommen super voran. Jedoch ist die Strecke mit 90 Seemeilen lang und unsere Ankunft in Mallorca spät, so dass wir uns entscheiden in Cale Arsenal, nahe beim Flughafen zu ankern um dann am Morgen in den Hafen von Palma de Mallorca einzulaufen.
Als wir da sind, muss nebst dem üblich Check-In noch die Covid-Erklärungen unterzeichnet werden. Wir informieren uns über die aktuelle Situation. Einfach immer Maske tragen, sonst ist alles offen und wir können uns frei auf der Insel bewegen. Wir sind froh über diese News, gehen aufs Schiff zurück und legen uns zuerst nochmals aufs Ohr.
In Mallorca stiessen später Michael und Hans zu uns und wir segelten via Ibiza ans spanische Festland nach Denia und später nach Alicante. Von dort aus erkundeten wir die Costa Branca.
Dann hatten Andy und ich einige Wochen Zeit für uns bis am 21. November Thomas und Max in Cartagena an Bord kamen. Mit ihnen zusammen kamen wir nach Gibraltar und werden nächste Woche bis Sevilla gelangen.
Ein Hoch auf die Guardia Civil!
Andy schreibt: Der 6. November war ein wunderschöner und gleichzeitig schrecklicher Tag. Wir ankerten in einer grossen Lagune (Mar Menor), fuhren mit dem Dinghi an den Strand um eine Küstenwanderung zu machen, die wir im Internet gefunden hatten. Ich hatte ein komisches Gefühl, unser Beiboot an dem menschenleeren Strand zurück zu lassen. Würde es nach der Wanderung noch da sein? – War es nicht.
Erfüllt von schönen Eindrücken und einem guten Gefühl im Körper nach dem Fussmarsch kehrten wir nach mehreren Stunden zurück – und das Dinghi war weg… – huch! Unser schönes Dinghy weg! Wie würden wir je wieder in Buchten ankern können? Und wie kommen wir jetzt wieder zu unserem Schiff zurück?
Nach der Schreckenssekunde steuerte ich sofort auf einen der Kite-Surfer zu, der soeben am Strand sein Material zusammen packte. Do you speak English? Unser Dinghy wurde gestohlen. Habt ihr etwas gesehen? – Es stellte sich heraus, dass die Kitesurfer Polen waren und Ja, sie hatten den Diebstahl beobachtet. Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass mein erster Gedanke war, die Polen hätten vielleicht selber unser Zeug geklaut… Aber die Vorurteile erwiesen sich als falsch. Der eine zückte sein Handy und zeigte mir ein Video. Sie hätten den Eindruck gehabt, dass etwas nicht stimmt, als die 4 Typen unser Zeug weggetragen hätten. So hat der eine Pole die Szene mit seinem Handy gefilmt, was der Polizei später hilfreiche Hinweise auf die Täterschaft lieferte.
Nach mehreren Telefonaten mit der Notrufzentrale und schliesslich mit der Küstenwache und einer Wartezeit von über einer Stunde erschien dann die Guardia Civil auf dem Platz. Die zwei Beamten sprachen kein Englisch. Es waren auch keine Segler, und so folgte eine langwierige Unterhaltung, bis die Herren verstanden hatten, was ein Dinghy ist und dass es am Strand gestohlen wurde. Sie liessen es sich nicht nehmen, uns deutlich spüren zu lassen, wie leichtsinnig es war, das Dinghy allein am Strand zu lassen… Nun, sie hatten ja nicht ganz unrecht, aber in dieser Situation war mir ihr Gehabe doch etwas nervig. Um es kurz zu machen: Etwa 4 Stunden später war auf der Polizeiwache der Bericht verfasst, das Video überreicht und die Küstenwache brachte uns mit einem Schnellboot auf unsere Segelyacht zurück. Wir gingen an diesem Abend bedrückt ins Bett, draussen blies der Starkwind mit 25kn…
Die Chance, dass unser Beiboot wieder gefunden würde, schätzte ich auf gegen Null. So ein tolles Böötli kann hier jeder gebrauchen. Also begann eine intensive Suche im Internet nach einem neuen/ gebrauchten Dinghy. Wir wurden bald fündig, segelten nach Torrevieja in einen Hafen, mieteten ein Auto, um einige Boote anzuschauen und kauften schlussendlich eines. Und als dann nach einigen Tagen das neue Dinghy und der Aussenborder auf unserem Schiff waren, läutete das Telefon und die Guardia Civil teilte uns stolz mit, dass sie die Diebe fassen und unser Material unversehrt sicherstellen konnte… Wir waren baff!
So hatten wir plötzlich 2 Dinghies und 2 Aussenbordmotoren. Schön, aber wohin damit? Das zweite Dinghy hat inzwischen einen neuen Besitzer gefunden und der zweite Aussenborder ist unterdessen bei Diego, einem spanischen Freund in Algeciras und wieder auf dem gleichen spanischen Secondhand-Portal ausgeschrieben, wo ich es gekauft hatte. Möge sich bald ein Käufer finden. Jedenfalls sind wir froh, dass wir wieder unser eigenes Material haben und bedanken uns hier noch einmal bei der spanischen Polizei! Muchas gracias!!!
Bis zur spanischen Küste blieben wir von Massnahmen gegen die Corona-Pandemie verschont. Irgendwie kamen wir immer drum herum. Erst auf dem spanischen Festland haben wir etwas davon gespürt, dass mit der Welt etwas nicht in Ordnung ist. In Alicante noch konnten wir Museen besuchen, auswärts essen gehen, und uns uneingeschränkt bewegen.
Doch je weiter südlich wie kamen (und je später im Herbst) wurde es anders. In der Provinz Murcia konnte man zwar in die Stadt aber man durfte sich nur innerhalb der gleichen politischen Gemeinde bewegen. Zweimal wurden wir von der Polizei angehalten, als wir mit dem Auto eines Freundes unterwegs waren ohne uns etwas dabei zu denken. Auch kam einmal die Polizei in den Hafen und kontrollierte IDs und Zulassung für das Schiff. Die Restaurants hatten alle zu und ab 23 Uhr war Sperrstunde. Wir sind in einem glücklichen Alter, in dem wir nicht mehr bis in die Puppen in den Ausgang müssen, daher störte uns die Sperrstunde nicht, aber dass die Restaurants Abends zu hatten, war schon schade. Zum Glück lieferten viele Restaurants das Essen nach Hause, sprich, bis an den Bootssteg. Kannst du nicht zur Pizzeria gehen, so kommt die Pizza eben zu dir!
In Andalusien dann wurden wir nicht mehr in alle Häfen rein gelassen. Dabei war keine klare Regel ersichtlich und jede Behörde entschied nach eigenem Ermessen. Während einige uns am Telefon abwiesen, oder gar mit einer Busse drohten, wurden wir in anderen Häfen freundlich aufgenommen. In Benaldema gab man uns einen Aussenplatz an der Tankstelle, gekoppelt mit der klaren Anweisung, unser Schiff NICHT zu verlassen. Hier war ständig etwas Welle und wir lagen seitwärts an einem Steg. Nach einer Nacht an diesem schrecklichen Liegeplatz waren 6 Fendersocken entweder zerrissen oder weg, eine Leine durchgescheuert und eine Metallstange am Schiff durch die Dauerbelastung verbogen. Schaden total von ca. 300 Euro.
In einem anderen Hafen nahm es der Beamte mit den Covid-Bestimmungen besonders genau. Als ich die 26 Euro Hafengebühr cash aus der Bordkasse bezahlen wollte, wies er das Bargeld energisch zurück: No cash, only creditcard. – Was denn der Grund sei, wollte ich wissen. – Covid, you know!, gab er mit besorgter Miene zur Antwort. – Ok, no problem, erwiderte ich verständnisvoll und zückte die Kreditkarte. Nachdem ich bezahlt hatte, fragte ich noch wegen einem Badge für das Tor am Steg und für die Duschen. – Da müsse er aber ein Depot von 10 Euro haben, meinte der Hafenmeister. – Klar doch. Karte? fragte ich. – Doch hier meinte er entschieden: No, creditcard. Deposit only cash!!… Es lag mir schon auf der Zunge zu sagen: No cash, only creditcard. Covid, you know!… aber habe mir die Bemerkung verkniffen, wir hätte an diesem Abend wohl nicht duschen können.
Unterdessen sind wir in der Bucht von Gibraltar angekommen. Hier hiess man uns auf der spanischen Seite gerne in die Häfen rein. Für die Einreise nach Gibraltar selber sei eine 5 tägige Quarantäne zwingend, so meine letzte Info vom Oktober, darum blieben wir in den spanischen Häfen. Beim Einchecken im Hafen von Alcaidesa, direkt neben dem Flughafen von Gibraltar, meinte die Dame im Hafenbüro jedoch: Nein, man könne von hier aus problemlos nach Gibraltar rein. – So würden wir uns morgen also auf die Socken machen und nach Gibraltar rüber spazieren. Vielleicht klappts ja wirklich.?. – Und siehe da, wir sind nach Gibraltar rüber spaziert, durch den Zoll, wie wenn nichts wäre, haben uns in einem Pub ein Zmittag gegönnt und sind dann im strömenden Regen zurück aufs Schiff geflüchtet. A truely British experience! Zum Glück werden wir später noch mehr Zeit haben, um diesen schönen Ort anzuschauen.
Nächste Woche verlassen wir das Mittelmeer und werden durch die Meeresenge in den Atlantik segeln. Cadiz möchten wir anlaufen und dann den Guadalquivir-Fluss hoch nach Sevilla hochschippern. Dort gehen Thomas und Max auf den Flieger, sie waren seit Cartagena bei uns auf der EXTRA MILE. Und wir lassen uns mit dem Ebbstrom wieder zurück ins Meer treiben und segeln nach Alcaidesa zurück wo wir das Schiff für 4 Wochen in der Marina parken. Am 20. Dezember geht unser Flug zurück in die Schweiz. Wir freuen uns sehr auf das Wiedersehen mit Familie und Freunden.
vor Gibraltar begrüsste uns ein lustige Schule Delfine.
Wir wünsche euch allen eine schöne Adventszeit!
LG Andy & Bea