VON GIBRALTAR NACH SEVILLA UND ZURÜCK
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SEGELN IN ZEITEN VON CORONA

Home, sweet home

Nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz über die Festtage landeten wir am Abend des 11. Januar in Malaga und wurden am Flughafen von Freunden abgeholt. Wir verbrachten eine Nacht bei ihnen in einer Finca und am nächsten Tag fuhren uns Jonas & Erna mit dem Auto nach La Linea zu unserem Schiff. In Andalusien war inzwischen der Lockdown etwas gelockert worden, man durfte wieder innerhalb der Provinz reisen. Wir fanden unser schwimmendes Zuhause in bester Ordnung vor und waren froh, wieder auf dem Wasser zu sein.

zurück in der Alcaidesa Marina, La Linea

Was wir in dem Moment jedoch nicht wussten, war, dass La Linea neu in die höchste Covid-Kategorie Spaniens aufgestiegen war. Über Weihnachten/ Neujahr hatte sich die britische Virusmutante in Gibraltar derart verbreitet, dass die Spanier das gesamte «Campo Gibraltar» (an Gibraltar angrenzende Gemeinden) zur Sperrzone erklärten. Da kommt man weder raus noch rein. Das spürten dann auch Jonas & Erna als sie auf dem Rückweg nach Malaga von einer Polizeikontrolle angehalten wurden. Zum Glück ist es für sie glimpflich abgelaufen, und wir waren schon mal in La Linea.

die gewaschenen Segel werden neu angeschlagen

Ich fragte beim Hafenbüro an, welche Auswirkungen die Sperrzone für uns als Segeljacht habe. Niemand wusste eine Antwort. Man passt als Segelboot nicht in das Covid-Massnahmenraster. Das hiess für uns, wir machen weiter wie geplant. So sind wir eines Morgens nach Gibraltar rüber getuckert und haben zollfreien Diesel getankt (55 Rp für den Liter) und kehrten ohne jedwelche Einschränkungen in die spanische Marina zurück. Am nächsten Tag sind wir dann Richtung Cadiz aufgebrochen. Hier hiess man uns willkommen, niemand fragte, woher wir kämen und wohin wir segelten. Während also auf dem Land in der Sperrzone ein striktes Reiseverbot durchgesetzt wurde, war man auf dem Meer frei.

auf dem Meer gibt’s kein Corona

Cadiz, wir kommen

In Cadiz stiess Celine aus der Schweiz zu uns und machte 10 Tage lang bei uns Ferien. Wir verbrachten gemeinsam gemütliche Segeltage bei Frühlingstemperaturen um die 15-18 Grad. Mit ihr segelten wir von Cadiz nach Huelva und später nach Sevilla. Wir erkundeten die Städte und unternahmen ausgedehnte Spaziergänge entlang dem Strand. In Cadiz, Huelva und Sevilla waren Shops, Restaurant und z.T. auch Museen geöffnet. So konnten wir in Sevilla eine Stadtführung per Velo buchen. Es war wohltuend zu sehen, dass trotz Corona-Massnahmen Reisen in dieser Form möglich sind.

Spaziergang entlang dem Strand vis-a-vis Bonanza

Einige Eindrücke aus Cadiz, Huelva und Sevilla


Im Schatten der Legenden

Was die Seefahrt anbetrifft ist das atlantische Südspanien schwer geschichtsschwanger. Schon dreimal haben wir unterdessen das Cap Trafalgar südlich von Cadiz umsegelt. In diesen Gewässern haben 1805 die Briten in der berühmten Seeschlacht den Spaniern und Franzosen ordentlich aufs Dach gegeben. Obwohl zahlenmässig unterlegen versenkten die Engländer unter Lord Nelson 20 feindliche Schiffe, ohne selber ein einziges einzubüssen. Respekt!

Dann in Huelva steht an jeder zweiten Strassenkreuzung eine Statue von Kolumbus, der von hier aus 1492 zu seiner Entdeckungsfahrt aufgebrochen war. Er zeigt immer mit dem rechten Arm nach Westen. Meist befindet sich in diese Richtung eine feine Tappas-Bar, wo man sich mit einer Portion Batatas Bravas für das nächste Abenteuer stärken kann. Am Zusammenfluss von Rio Odiel und Rio Tinto unweit der Stadt steht eine riesige Statue des Helden. Die haben die Amis in den 1920er Jahren den Spaniern geschenkt, vermutlich aus Dankbarkeit, dass man sie entdeckt hatte.

Kolumbus weist dir den Weg

In Sevilla wiederum ehrt man Magellan, der von dieser Stadt aus 1519 zu seiner ersten Weltumsegelung aufbrach. Von 5 Schiffen schaffte es leider nur eines zurück, die «Victoria». Eine Replika dieses Schiffes haben wir an der Pier in Sevilla besichtigt. War schon spartanisch das Leben auf dem Meer damals. Da lobe ich mir auf unserer «Extra Mile» den Kühlschrank, das weiche Bett und die Heizung. Cool finde ich, dass die Spanier vor ein paar Jahren mit der Replika die Route Magellans um die Welt nachgefahren sind. Da wäre ich gerne dabei gewesen!

das vordere Schiff ist ein Nachbau von Magelan’s Victoria, dahinter eine Galeone

Durch das Corona-verseuchte Portugal

Nachdem Celine in die Schweiz zurück geflogen war, machten sich Bea und ich auf den Weg nach Norden. Unser Ziel war – und ist es immer noch – den Sommer in Schottland zu verbringen. Dazu galt es aber an Portugal vorbei zu kommen, das am 1. Februar die Grenze zu Spanien geschlossen hatte. Unser Plan war es zügig nach Norden zu segeln und nur sporadisch in Buchten oder Vorhäfen zu ankern um uns auszuruhn.

unsere Route seit Januar 2021 (Karte, Quelle: navionics.com)

Wir waren gespannt, wie das werden würde, als wir in die portugiesischen Hoheitsgewässer gelangten. In der ersten Ankerbucht in der Nähe von Faro interessierte sich jedoch statt den portugiesischen Behörden nur ein deutscher Langfahrt-Segler für uns. Wir plauderten lange über Batterien und Ladeströme und luden ihn bei uns an Bord zum Znacht ein.

Culatra bei Faro, wunderschöner Ankerplatz in einer Lagune, normalerweise liegen hier um die 100 Jachten

in den Flussmündungen herrschen starke Gezeitenströmungen, hier lohnt es sich sorgfältig zu planen

Am Morgen segelten wir weiter ums Cap Vincent herum und erreichten beim Morgengrauen den Hafen von Sines. Wir checkten ein, als wenn es kein Corona gäbe, erholten uns von der Nachtfahrt und reparierten einen Schaden am Fall des Vorsegels. Der nächste Stopp war Setubal, südlich von Lissabon. Da wollte ich unbedingt hin, weil hier ein Freund wohnt, den ich von früher kenne, und ich hoffte, dass ein Wiedersehen möglich wird. Die übervorsichtige Dame im Büro der Marina war unsicher, ob sie uns rein lassen darf und verwies mich auf die Policia Maritima. Bei der Policia Maritima erklärte mir der Beamte am Telefon, er habe nichts damit zu tun und gab mir die Nummer von Port Control. Die Jungs von Port Control schüttelten jedoch nur den Kopf und meinten, ich solle das mit der Marina klären… So rief ich wieder im Büro der Marina an und verkündete der Dame, alle zuständigen Stellen seien einverstanden, dass wir einlaufen. Das taten wir dann auch und am Abend kam Rolf zu uns aufs Schiff zum Znacht – wir hatten uns seit 20 Jahren nicht mehr gesehen, es gab viel zu erzählen.

die EXTRA MILE, ist sie nicht wunderschön?

Schreckenssekunden

Mag sein, dass dieser Blog den Anschein erweckt, alles laufe rund und störungsfrei. Das tut es nicht. Zwei Momente des Schreckens hier in Kurzform:

Wir tuckerten unter Motor die letzten paar Meilen den Fluss hoch nach Sevilla. Das Ziel des Törns mit Celine war bereits in Sichtweite, ich stellte den Kurs ein entlang des Ufers, schaltete auf Autopilot und ging kurz unter Deck. Plötzlich merke ich unten im Schiff, dass irgendetwas nicht stimmt, gehe hoch und sehe, dass der Motor zwar läuft, wir aber an Ort und Stelle stehen – wir waren aufgelaufen. Es war Ebbe, also sank die Wassertiefe von Minute zu Minute, da durfte man keine Zeit verlieren. Zum Glück war das Ruder frei, wir waren nur mit dem Kiel im Schlamm stecken geblieben, also ordentlich Power rückwärts und kurz darauf schwamm der Kahn wieder. Hat einmal mehr gezeigt, dass gerade dann Fehler passieren, wenn man das Gefühl hat: Jetzt haben wir es geschafft. Man wird nachlässig und schon sitzt man im Schlamm fest. «Complacency» nennt sich das, hatte ich im Segelkurs bei den Briten doch mal gehört…

Ein anderer gefährlicher Moment war bei einer Nachtfahrt entlang der portugiesischen Küste. Wir segelten mit tollem Rückenwind und viel Tempo Richtung Norden. Bea und ich wechselten einander alle 2h ab. Kurz nach Mitternacht entdeckte ich auf Backbord (in Fahrtrichtung links) Lichter, die vermutlich von einem Fischerboot stammten. Das Schiff hatte kein AIS (eine Art digitales Radar), würde uns also nur sehen, wenn die Deppen auch wirklich nach draussen schauten. Die Lichter kamen von der Seite rasch näher. Es ist nachts unmöglich Distanzen und Richtungen von Auge zu schätzen, aber es sah für mich nach einem Kollisionskurs aus. Ich hatte meinen Peilkompass gerade nicht zur Hand und die Zeit war zu knapp, um ihn in der Kabine zu holen. Das Fischerboot war gemäss den geführten Lichtern nicht am fischen, sondern unter Motor unterwegs, wir hatten als Segelboot daher Vorfahrt und waren verpflichtet unseren Kurs zu halten (es kann nämlich blöd laufen, wenn beide Schiffe beginnen auszuweichen…). Da der Fischer von der Seite rasch näher kam und nicht auswich, änderte ich irgendwann doch unseren Kurs. Bringt ja nichts, wenn dann auf dem Grabstein steht «er hatte Vortritt». Wir kreuzten uns mit 50-100m Abstand und ich war froh, als die Lichter hinter uns wieder schwächer wurden. Vermutlich war der Fischer nicht im Cockpit, hat uns nicht gesehen und gar nicht gemerkt, in welch gefährliche Situation er uns gebracht hatte.

Auf nach Vigo

Unterdessen sind wir in Nazaré angekommen, dem Surfspot auf der Welt mit den grössten Wellen. Hier wurde einmal eine 25m hohe Welle gesurft! (zum Video). Die Hafeneinfahrt liegt nur etwa 1sm südlich dieses Ortes und ist absolut ruhig, praktisch keine Welle. Tatsächlich ist Nazaré einer der wenigen Häfen in der Gegend, die auch bei schwerem Wetter offen bleiben und Schiffen Schutz bieten.

Wir kamen mit der freundlichen Hafenmeisterin ins Plaudern und sie erklärte uns, dass Portugal am 1. Februar zwar die Land- und Luftgrenze geschlossen hatte, nicht aber die Seegrenze. Daher war es für uns kein Problem trotz hartem Lockdown in Portugal von einem Hafen zum nächsten zu tingeln. Auf diese Weise kommen wir zwar gut voran, sehen aber leider kaum etwas vom Land. Ja nu, das lässt sich im Moment nicht ändern. Wir werden im Herbst nochmals hier vorbei kommen, wenn wir von Schottland wieder in den Süden ziehen. Dann möchten wir uns Zeit nehmen und Portugal erkunden.

der Strand von Nazaré, schön aber menschenleer, in Portugal darf man das Haus nur verlassen um zu arbeiten oder einzukaufen, schon etwas trostlos…

Heute hat es draussen Wind in Sturmstärke und es regnet wie aus Kübeln. Da bleiben wir im Hafen, machen es uns im Schiff gemütlich und trinken Kaffee. Wenn es abflaut geht es weiter Richtung Norden nach Vigo in Galizien. Von dort startet Ende Monat ein weiterer Ausbildungstörn. Wir freuen uns sehr auf das wesentlich freiere Spanien mit Menschen in den Parks, offenen Shops und Restaurants und ausgedehnten Spaziergängen in der Natur.