UND DANN KAMEN DIE ORCAS
10/10/2021
EIN WINTER AUF DEN KANAREN
28/02/2022
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PORTUGAL UND DIE PASSAGE ZU DEN KANAREN

Zurück ins Wasser und auf nach Portugal

Es war ziemlich genau vor 1 Monat als die EXTRA MILE in Cangas wieder eingewassert wurde. Tatsächlich hatte die Firma, die unser Ruder neu aufbaute, gute Arbeit geleistet und auch den Liefertermin eingehalten.

Mit vereinter Kraft wird das noch verpackte Ruder in das Ruderlager eingesetzt und von oben fixiert

So hing unser Boot am 25. Oktober wieder mal in den Gurten eines Travel-Lifts und wurde behutsam in sein Element herab gelassen. Wir hatten so sehr auf diesen Moment gewartet. Rund einen Monat sassen wir inzwischen in Cangas fest, aber jetzt konnte die Reise endlich wieder weiter gehen. Wir standen an Deck, voller Freude und gleichzeitig mit bangen Fragen im Kopf: Ist das reparierte Ruder so gut wie das alte? Kommen wir diesmal schadenfrei durch die Orca-Zone entlang der portugiesischen Küste?

Ruder neu, Rumpf frisch poliert, neues Antifouling drauf

So bald der Schiffsrumpf im Wasser war, checkten wir die Seeventile, drückten die Luft aus der Stopfbuchse (Dichtung der Motorwelle), starteten den Motor und schon bald lief ein schönes Segelboot aus dem Hafen von Cangas in die Ria de Vigo aus.

Ist sie nicht wunderschön? (ein herzliches Dankeschön an die “Pachific” für das tolle Foto!)

Ab in den Süden

Unterdessen sind wir 1500km weiter südlich. Das neue Ruder hat sich auf dieser Reise als stabil und zuverlässig erwiesen. Diesen Blog schreiben wir jetzt Ende November aus Arrecife auf Lanzarote. Hier ist es schön warm, wir geniessen spätsommerliche Temperaturen. Normalerweise wird es im November je länger desto kühler und winterlicher, bei uns hingegen wurde es mit jeder Meile Richtung Süden wärmer und sonniger. Hier ein Beispiel einer Wetterprognose aus der SRF-Bucheli-App:

Auf der Überfahrt auf die Kanaren konnte man nachts mit einer leichten Jacke draussen im Cockpit Wache halten. Tagsüber waren kurze Hosen und T-Shirt angesagt. Aber schön der Reihen nach:

Porto

In der Stadt am Douro verbrachten wir total fast 2 Wochen. Hier einige Impressionen:

Lissabon

Lange sah es so aus, dass wir Lissabon auslassen müssten. Wir hatten für Mitte November mit einer Crew die Überfahrt auf die Kanaren geplant und diesen Zeitplan galt es einzuhalten. Doch es tat sich unverhofft eine Tür auf und wir konnten doch noch einen kurzen Abstecher in die portugiesische Hauptstadt machen. So genossen wir 2 Tage in Lissabon, buchten eine Stadtführung per E-Bike und machten mit einem Freund ab, der mit seiner Frau in der Nähe von Lissabon lebt.

Algarve

Ursprünglich wollten wir 2 Wochen lang die schöne Südküste Portugals erkunden. Da unser Zeitplan aber durch die lange Pause in Cangas durcheinander kam, wurden aus 2 Wochen gerade mal noch 4 Tage, wovon wir 2 für die Vorbereitung auf die Überfahrt benötigten. Umso mehr genossen wir eine Dinghi-Tour zu bizarren Felsformationen und Höhlen.

Passage von Portugal nach Lanzarote

Am Montag, 13. November, stachen wir bei schönem Wetter in Lagos in See. Vor uns lagen 550 Seemeilen (ca. 1000km) Wasser bis nach Lanzarote. Wir rechneten für die Passage mit rund 110h, also 4 ½ Tagen, und sollten dementsprechend am Freitag gegen Abend ankommen. Die Wetterprognose versprach zunächst mässige Winde aus Nordost, die mit der Zeit stärker werden sollten. Für die zweite Wochenhälfte war die Prognose noch ungewiss. Einige Wettermodelle kündigten auf Höhe der kanarischen Inseln einen Südost-Wind an, der von der Sahara nebst Wärme und Trockenheit jeweils auch Sand rüber bläst. Andere Modelle sahen eine Flaute kommen. Nun ja, wir würden es dann früh genug sehen. Mit 3 ½ guten Tagen von total 5 war das Risiko absehbar und für eine allfällige Flaute hatten wir genügend Diesel im Tank. Den Sahara-Staub würde ich mir allerdings gerne sparen…

Wir waren zu viert. Thomas und Rahel stiessen in Olhão (bei Faro) zu uns. Wir kannten beide schon von früheren Törns und freuten uns mit ihnen zusammen auf die Überfahrt. Mit 4 fähigen Leuten an Bord lässt sich ein angenehmer Wachplan erstellen: 2h Wache, 6h Pause. In der ersten Nacht machten wir die Wachen jeweils zu zweit um die zwei Mitsegler einzufuchsen. Danach aber stellten wir auf Einzelwache um, so dass der Schönheitsschlaf nicht zu kurz kam. Einzig der Skipper war ständig auf Piquet und daher bei der Ankunft etwas verrunzelt.

Vorkochen

Bea schreibt: Dieses Mal möchte ich etwas zur Vorbereitung des Essens für unsere Überfahrt erzählen. Für das Vorkochen habe ich mir einen ganzen Tag Zeit genommen und 5 Mahlzeiten zubereitet bevor unsere Crew eintraf. Da wir nie wissen, wie die Wellen sein werden und wie es jedem Einzelnen der Crew dann auch gehen wird, sollte das Essen auch in kaltem Zustand gegessen oder bei guten Verhältnissen aufgewärmt werden können. So kochte ich einen Rindfleisch-Kohleintopf, eine Gemüsewähe, eine Kürbiscremesuppe, Teigwaren natur, ein Tomatenrisotto und probierte Zitronenküchlein zu backen. Andy fand, es seien – passend zu Lanzarote – ganz tolle “Krater-Chüechli” geworden, “nach innen eingefallen und von unten leicht angebrannt”… Das sind doch Komplimente, die man nach einem intensiven Arbeitstag gerne hört 😉

Es tönt nach viel, doch wir haben alles genussvoll gegessen, und es ist mit den 5 Tagen und 4 Nächten sehr gut aufgegangen. Es war für mich eine gute und lehrreiche Erfahrung und ich fühle mich wieder einen Schritt besser vorbereitet für unsere geplante Atlantiküberquerung.

Gut gegessen ist halb gesegelt. Wir stärken uns mit einer tollen Mahlzeit für die nächsten Stunden.

Eine Nacht auf Drift

Nach dem wir aus dem Windschatten der portugiesischen Küste aufs Meer gelangt waren, setzen wir das Parasail und genossen den Speed und die stabilisierende Wirkung dieses tollen Segels. Wir kamen super voran und rechneten uns bereits aus, dass wir mit diesem Tempo nur 90 statt 110h unterwegs sein würden. Was für alberne Gedanken man sich doch macht. Das Meer ist schlicht zu gross für solche Rechenspielchen, zu viel kann passieren. 12 Stunden später waren wir bereits 80 Seemeilen auf dem Atlantik als das Unglück geschah.

Das Parasail ist an 3 Punkten am Schiff fixiert: Oben am Mast, vorne am Bug und auf der Seite des Rumpfes in Schiffsmitte.

Es war kurz vor Mitternacht. Der Wind hatte etwas abgenommen und das Segel begann in der Welle zusammen zu fallen. Die Welle von hinten schiebt dich nach vorne, das Segel fällt zusammen. Dann zieht sie dich zurück und – PAMM!! – mit einem Knall füllt sich das Segel wieder. Wenn so ein 140-Quadratmeter Tuch sich auf einen Schlag mit Wind füllt, dann ist das eine enorme Kraft. Ich hatte nie die Befürchtung, dass das Segel reissen könnte, das ist für solche Belastungen gebaut. Und doch war mir klar, dass es Zeit wird, das Parasail zu bergen. Auf die Dauer ist eine derartige Belastung sowohl für das Tuch wie auch für das Rigg ermüdend. Es waren noch 15 Minuten bis zum Wachwechsel, dann wäre die ganze Crew an Bord, dann würden wir das Parasail bergen, so meine Entscheidung. War eine schlechte Entscheidung. Denn mit der nächsten Welle fiel das Segel in sich zusammen, füllte sich wieder und mit einem leisen – TACK!! – flog das Leichtwindsegel in die mondhelle Nacht nach vorne weg. Ein beinahe poetischer Moment, wenn mir nicht die Tragweite des Unglücks bewusst wäre. Das Segel fiel ins Meer und bevor ich mich vom Schrecken erholt hatte, lag es neben dem Rumpf im Wasser und wurde unter das noch fahrende Boot gezogen. Es war ja vorne am Bug und auf der Seite immer noch am Schiff befestigt. Offenbar war das Fall (Seil, welches das Segel nach oben zum Masttop zieht) gerissen. Jetzt hatten wir die Bescherung. Unter dem Bootsrumpf gibt es nämlich den Kiel, wo sich das Segel verheddern kann, und den Faltpropeller und das Ruder. Schlimmer noch: Während das Schiff durch den Wind und die Welle zur Seite gedrückt wurde, wirkte das riesige Segel im Wasser wie ein Treibanker, eine Super-Bremse sozusagen. Das heisst, auf dem über die Reeling hängende Segel entwickelte sich ordentlich Zug und wegen einiger kleinen, hervorstehenden, scharfen Ecken bei den Splinten der Reeling begann das Tuch an verschiedenen Stellen zu reissen…

Um es kurz zu machen: Wir schafften selbst mit vereinten Kräften der ganzen Crew nicht das Segel an Bord zu nehmen, es hatte sich tatsächlich irgendwo unter dem Rumpf verfangen. Da macht Gewalt das Problem nur schlimmer und je mehr wir zogen umso mehr riss das Segel. Wir konnten einzig das Grosssegel so stellen, dass der Segeldruck das Parasail im Wasser entlastete. Mehr konnten wir im Moment nicht tun. Also sicherten wir mit mehreren Leinen, was vom Parasail an Bord war und – gingen schlafen. Das Boot driftete mit dem Wind. Die Richtung wohin uns der Wind trieb war egal, weit und breit kein Land und keine anderen Hindernisse im Weg. Am Morgen bei Tageslicht würde jemand (… ihr wisst schon, wer das sein würde) runter tauchen und das Segel befreien. Vorerst konnte man nichts tun. Also teilten wir die Wachen ein und der Rest der Crew versuchte in dem rollenden Schiff Schlaf zu finden. War nicht einfach bei 2,5m Welle. Wir waren jetzt ein manövrierunfähiges Schiff und drifteten ins nirgendwo. Kein guter Start in eine Ozean-Passage.

Trittst im Morgenrot daher, um dich herum das grosse Meer…

Als im Osten die Sonne aufging, stand der Skipper schon mit Flossen und Taucherbrille bewaffnet im Cockpit und los gings ins kühle Nass. Wassertemperatur war mit 20 Grad ok. Die Herausforderung bestand darin unter ein 10t schweres Boot zu tauchen, das mit jeder Welle 2,5m angehoben wurde und dann nach unten sackte. Das Heck sollte mir einfach nicht den Hinterkopf zertrümmern, schliesslich lag die Hälfte unseres Timeouts noch vor uns! Zuerst mal nachschauen, wie die Dinge da unten stehen. Richtig, ein Stück des Segels war zwischen zwei Blättern des Faltpropellers verklemmt. Nach 3 weiteren Tauchgängen konnte das Segel gelöst werden und die Crew barg das Parasail an Bord. Wir setzten Genua und Grosssegel und weiter ging die Reise.

Das war übrigens nicht das letzte Bad, das ich an diesem Tag nehmen durfte. Später am Nachmittag zog ich ein grosses Stück Plastik unter dem Boot hervor, das am Propeller hängen geblieben war. Ist krass, was da im Meer nicht alles rum schwimmt.

Kein Stress und keine Langeweile

Nach dem abenteuerlichen Start in die Passage kehrte am zweiten Tag Ruhe ein. Zu Dienstag, Mittwoch und Donnerstag gibt es nicht viel zu sagen. Wir segelten bei gutem Wind, die Welle legte sich zunehmend und wir waren alle unterdessen «eingeschaukelt». Die Tage und Nächste vergingen mit essen, schlafen, schwatzen, Wache halten, Sterne gucken. Manchmal sitzt man einfach nur da, schaut aufs Meer hinaus und hängt seinen Gedanken nach. Wunderbar ist das!

Sonnenaufgang auf dem Meer

Wir kamen gut voran. Zwei mal funkte ich ein Cargo-Schiff an, das uns etwas nahe kam. Ich bin immer froh auf dem Ozean andere Schiffe zu treffen. Falls wir ein Problem hätten, wäre Hilfe nahe. Wenn jedoch die Kreuzdistanz mit so einem Stahlkoloss unter einer halben Meile liegt, und der Brummer keine Anstalten macht seinen Kurs zu ändern, dann nehme ich jeweils freundlich über Funk Kontakt auf. Auf dem offenen Meer sind wir als Segelboot gegenüber (noch so grossen) Motorschiffen vortrittsberechtigt und somit auch kurshaltepflichtig. Es kann ganz dumm kommen, wenn beide Schiffe gleichzeitig Ausweichmanöver einleiten. Darum muss das vortrittsberechtigte Schiff seinen Kurs strikt beibehalten und das andere weicht aus. Ich sage am Funk nach der Begrüssung jeweils: «We are the little sailing yacht in front of you. Please dont run us aground.» (Wir sind die kleine Segelyacht vor euch. Bitte versenkt uns nicht.) Darauf hin teilt mir der Funker mit, dass sie uns schon lange auf dem Radar haben und nun den Kurs ändern würden. Ein paar Grad machen den Unterschied und unser AIS zeigt schon bald eine Kreuzdistanz von 1-2 Meilen an, was sich gleich viel besser anfühlt.

Am Donnerstagnachmittag (Tag 4) flaute der Wind ab. Wir bargen die Segel, starteten den Motor und liefen mit Diesel-sparenden 5,5 Knoten auf Lanzarote zu. Es gab zum Ende der Passage also keinen Saharastaub sondern spiegelglatte See. Auch wenn ich Flauten hasse, so war es doch das kleinere der beiden Übel. Unterwegs hatten wir kein Internet und somit keinen Zugang zu einem detaillierten Wetterbericht. Wir haben uns aber inzwischen einen kleinen Satelliten-Sender-Empfänger zugetan, mit dem man die eigenen Position senden, Kurznachrichten verschicken und empfangen und Wetterdaten laden kann. So ist eine Ozeanpassage kein Blindflug. Wir wissen auf 1-2 Tage im voraus was wettermässig auf uns zukommt.

Landfall

Als am Freitagmorgen der Tag erwachte, war bereits Land in Sicht. Erst mal nur mit dem Fernglas als schwacher Streifen am Horizont erkennbar, der sich aber mit jeder Stunde klarer gegen den Hintergrund abhob. Lanzarote, wir kommen!

Zur Zeit sind auf den Kanaren alle Marinas überfüllt und es ist beinahe aussichtslos irgendwo einen Liegeplatz zu bekommen. Die kanarischen Inseln sind nun mal der optimale Startpunkt für die Überfahrt über den Atlantik. Da viele Crews wegen Covid letztes Jahr ihre Pläne verschieben mussten, sind dieses Jahr rund doppelt so viele Schiffe hier in den Startlöchern. Eine erste Tranche geht meistens Mitte November los und eine zweite im Dezember. Dann gibt’s wieder reichlich Platz in den Marinas. Ich hatte zwar schon vor langem um einen Platz in Arrecife nachgesucht, aber die definitive Bestätigung blieb aus. So war zwar Lanzarote in Sicht, aber ein Platz in der Marina in weiter Ferne.

Wir steuerten darum nicht Arrecife an, sondern die Insel Graciosa, die unmittelbar nördlich von Lanzarote liegt. Hier liessen wir am Freitagnachmittag um 16 Uhr den Anker vor der malerischen Playa Francesa fallen, gratulierten einander zur Passage und tranken das wohlverdiente, seit 5 Tagen kalt gestellte Ankerbier. Was für eine Wohltat!

Viele Yachten mit ähnlichen Absichten. Sicht von der Bucht zum Krater

Sicht vom Kraterrand aus auf den Ankerplatz und die bezaubernd schöne, karge Landschaft von Graciosa

Ausblick

Ein paar Tage später haben wir dann doch einen Hafenplatz in Arrecife bekommen. Zuerst inspizierten wir den Schaden am Parasail und machten uns sogleich an die Reparaturen.

Das gerissene Fall. Das Seil war nicht neu und ich nehme an, dass es an dieser Stelle schon vorher stark belastet wurde.

Inzwischen ist ein neues Fall im Mast eingezogen. Das Segel habe ich mit dem Segelmacher genauestens untersucht. 11 Segmente des Segels sind verrissen und neue bereits in Deutschland bestellt. Die werden direkt aus Sri Lanka geliefert und sobald sie auf Lanzarote eintreffen, wird der Segelmacher die neuen Segmente einnähen. Das wird Januar, bis wir das Parasail vom Segelmacher zurück haben.

Mitte Dezember kommt nochmals eine Crew für einen Ausbildungstörn und wir segeln gemeinsam von Lanzarote nach Gran Canaria. In Las Palmas lassen wir das Schiff für einige Wochen stehen und fliegen über Weihnachten in die Schweiz um Familie und Freunde zu besuchen.

Im 2022 planen wir zuerst noch 2 Monate auf den Kanaren zu verbringen. Vor allem die Inseln Teneriffa, Gomera und El Hierro möchten wir besser kennen lernen. Im März gedenken wir weiter nach Süden zu den Kapverdischen Inseln zu ziehen und von dort aus über den Atlantik in die Karibik. Das erfordert noch einige Abklärungen und Vorbereitungen aber wir sind zuversichtlich, dass es klappen könnte. Ausbildungstörns und Möglichkeiten zum Mitsegeln schreiben wir aber erst aus, wenn wir drüben sind. Zu viel kann in der Zwischenzeit passieren.