ATLANTIKÜBERQUERUNG TEIL 2: KAPVERDEN – MARTINIQUE
25/04/2022
VON MARTINIQUE NACH ST. MARTIN
25/06/2022
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DIE GRENADINEN UND ST. LUCIA

Mit Palmen gesäumten Strände, glasklares Wasser, schwimmen mit Schildkröten, nette Strandbars und Reggae-Musik überall. Das sind die gängigen Karibik-Klischees und genauso haben wir es an manchen Orten vorgefunden. Wir sind nun seit einem Monat in der Karibik und haben uns soweit ganz gut eingelebt. Karibik ist ja die Bezeichnung einer Gegend etwa halb so gross wie das Mittelmeer und jede Insel und jedes Land ist anders. Daher haben wir erst an der Oberfläche gekratzt. Aber was wir bisher erlebt haben, hat uns sehr gefallen.

Erster karibischer Ausbildungs- und Genusstörn

Wenige Tage nach unserer Atlantiküberquerung brachen wir mit René & Maryse zu einem Törn auf, der uns von Martinique nach Süden zu den Grenadinen und St. Lucia führte. Wir machten gleich am ersten Tag einen langen Schlag zum südlichsten Punkt unserer Route und kehrten anschliessend während zwei Wochen in kurzen Tagesschlägen wieder nach Martinique zurück.

Karte aus Google Maps

Hier einige Impressionen vom ersten Karibik-Törn zu den Grenadinen und St. Lucia:

Boat-Boys

In den nautischen Unterlagen hatte ich einiges über die «Boat-Boys» gelesen. Das sind meist junge Männer, die dich bei der Ankunft am Steg oder schon bei der Einfahrt in die Bucht empfangen und dir mit unablässiger Überredungskunst alle möglichen Dienstleistungen anbieten – gegen Bezahlung natürlich. Bojenplätze, Wasser, Diesel, Eis, Früchte, T-Shirts, Ausflüge, Lobster-Essen, frisches Brot, alles können die Boat-Boys organisieren. Das kann ganz praktisch sein, wenn man etwas braucht und der Preis vernünftig ist. Das kann aber sehr lästig sein, wenn man nichts braucht und die Jungs aufdringlich werden.

Dieser Herr mit dem unvorteilhaften Bootsnamen brachte uns einmal Brot. Aber nur einmal, am nächsten Tag hatte er keine Lust mehr.

Wir brauchten Diesel und ich hatte gelesen, in Clifton auf Union Island könne man tanken. Da wollten wir sowieso hin, also steuerte ich nach unserer Nachtfahrt die EXTRA MILE in die Bucht des Städtchens und suchte nach der Tankstelle. Da war keine, aber an einem Steg standen paar Boat-Boys, die eifrig winkten. Ich fuhr auf Gesprächsdistanz heran und fragte, wo man hier Diesel bekomme. Hier, bei uns, versicherten die Herren. Ich solle sage, wie viel ich brauche und sie würden den Diesel herschaffen. Die Jungs rochen derart vertrauenswürdig nach Marihuana, dass ich mir sagte: Jetzt geben wir der Sache eine Chance und schauen, wie das hier so läuft.

Zuerst der Preis, dann der Deal. 25 East-Carribean Dollar per Gallon wollten die Rastas. Da war ich zuerst mal überfordert. Wie viel Liter ist denn ein Gallon? Google wusste Rat: Ein Gallon ist 3,7 Liter und der EC$ etwa ein Drittel des Euro. Mein Kopf wollte nach der Nachtfahrt vor allem schlafen, aber irgendwann hatte ich einen Preis von etwas 2,25 Euro pro Liter errechnet. Schien mir viel und war es auch. Aber mir war es das Spektakel wert und die Jungs mussten den Diesel ja doch irgendwie herschaffen. Also bestellte ich 20 Gallons und harrte der Dinge, die da kommen mögen.

Es verging eine Weile und irgendwann wurde auf einer rostigen Karre ein altes Plastikfass von unklarem Volumen, gefüllt mit einer undefinierten Flüssigkeit hergebracht und auf ein Holztreppchen auf dem Pier neben dem Boot gehievt. Dann Schläuchlein ins Fass, das andere Ende in den Mund, der Rasta mit dem farbigen Pyjama zog an und rasch das Ende in unsere Tanköffnung. Und schon floss der Diesel (oder was es auch war). Es kam wie es kommen musste. Natürlich war der Schlauch zu kurz und obschon alle 4 Jungs mithalfen, rutschte der Schlauch irgendwann aus der Tanköffnung. Diesel überall, Riesensauerei. Das war jedoch das kleinere Problem, hat der eine Boat-Boy nachher tiptop aufgeputzt. Vielmehr beschäftigte mich die mögliche Unreinheit des Treibstoffs, den die Rastas da gerade in unseren Tank füllten…

Eine Woche später segelten wir zu einem Ankerplatz auf Bequia. Wir bargen die Segel, starteten den Motor, er sprang an und stellte gleich wieder ab. Weitere Startversuche halfen nicht. Motor lief nicht. Es hatte ordentlich Wind und zum Glück genug Platz in der Bucht. Wir sind ein Segelboot, also setzten wir wieder die Segel und das Ankermanöver wurde unter Segel gefahren. Später am Nachmittag konnte ein Mechaniker aus dem Ort organisiert werden. Der fand das Problem: ein verstopfter Dieselschlauch zwischen Tank und Vorfilter. Kurzfristig konnte der Schlauch gereinigt werden, und seither läuft der Motor wieder. Aber früher oder später würde der Schlauch vermutlich wieder verstopfen. Um das Problem wirklich zu lösen, müsste man den ganzen Diesel aus dem Tank abpumpen, Tank reinigen und neu befüllen… Herzlichen Dank, liebe Boat-Boys aus Clifton für euren vortrefflichen Service!

Lessons learned: Getankt wird nur noch bei offiziellen Tankstellen in gut geführten Marinas. In Canouan zum Beispiel: Zollfrei für 17 EC$ per Gallon, was wir unterdessen in Erfahrung gebracht haben.

Carlos – ein Boat-Boy der anderen Art

Eine ganz andere Begegnung hatten wir mit Carlos, auch so einem Boat-Boy. Carlos fing uns bei der Fahrt zum malerischen Ankerplatz auf den Tobago-Keys ab. Er fragte, ob wir Lobster essen wollten. Natürlich wollten wir das! «Lobster Essen bei Big Mama auf Tobago-Keys» stand ganz oben auf meiner Bucket-List. Also reservierten wir bei Carlos für den darauffolgenden Abend. Er würde uns mit seinem Boot abholen, zum Restaurant auf der gegenüberliegenden Insel fahren und nach dem Essen wieder zurück zum Ankerplatz bringen. Wenn man schon hier ist, muss man das einfach mal gemacht haben.

Carlos war freundlich, der Lobster hervorragend, die Ambiance in dem Restaurant am Strand ein Traum – ein rundum gelungener karibischer Abend.

Sieh mal an den Lobster, vom Grill zum Teller hoppster!

Am nächsten Tag wollten wir weiter nach Mayreau. Diese Insel liegt nur wenige Seemeilen von den Tobago-Keys entfernt, aber um René ausreichend Übungsmöglichkeit beim Segeln und in der Navigation zu bieten, entschlossen wir uns einen vollen Kreis um die Tobago-Keys zu fahren und Mayreau von der anderen Seite anzusteuern. Wir manövrierten die EXTRA MILE vorsichtig aus dem Riff heraus und segelten anschliessend zunächst hoch am Wind gegen die atlantische Welle.

Irgendwann bemerkte ich ein kleines Motorboot, das von Backbord unseren Kurs kreuzte. Das Boot war schnell unterwegs und tanzte wild auf den Wellen, der Kerl darin war echt nicht zu beneiden. Das Boot kam uns von der Seite immer näher und ich nervte mich, dass es nicht mehr Abstand hielt. Meine Güte, das Meer ist gross genug, warum muss man dem anderen wenige Zentimeter vor der Nase durchbrettern! Irgendwann wurde mir klar, der Typ will zu uns, und bald schon erkannten wir ihn, es war Carlos. Er winkte und hielt etwas in der Hand. Wir bargen rasch das Vorsegel und nahmen Fahrt raus. Carlos hielt tatsächlich ein Portemonnaie in die Höhe, offenbar hatte es jemand von uns beim gestrigen Lobster-Essen liegen gelassen. Carlos war unterdessen längsseits gekommen. Ich lehnte mich weit über die Reeling hinaus und ergriff das Portemonnaie – es war meines! Schreckenssekunde… Das war mir noch nie passiert! Bin normalerweise in solchen Dingen sehr gewissenhaft. Ich checkte den Inhalt, es war noch alles drin. Cash hatten wir das meiste eh für den Lobster ausgegeben, aber der Rest war noch drin, so auch alle Dokumente. Wow! Carlos kriegte ein riesen Dankeschön und ein entsprechendes Trinkgeld für den Sprit und seine vorbildliche Ehrlichkeit. Ja, auch solche Boat-Boys gibt’s.

Ein- und ausklarieren

Wir wussten zwar, dass die kleinen Antillen aus vielen einzelnen Staaten bestehen, praktisch jede grössere Insel ist ein souveräner Staat. Aber, dass die Ein- und Ausreiseformalitäten doch ihre Zeit beanspruchen würden, das hatten wir total unterschätzt. So etwas kennt man in Europa nicht (oder nicht mehr). Da kannst du von Land zu Land reisen und merkst es nicht einmal, dass du wieder eine Grenze passiert hast.

Ganz anders in der Karibik. Bei Ankunft wird immer zuerst einklariert. Das ist nur in bestimmten Orten möglich, einem sog. «Port of Entry». Auf Martinique kann man das Ein- resp. Ausklarieren selber an einem PC im Hafenbüro machen. Da setzt man sich an einen Terminal und füllt ein umfangreiches Formular aus. Schiffsname, Heimathafen, Nummer, Länge, Breite… Anzahl Motoren, Anzahl PS, Rumpfmaterial, Rumpffarbe…, meine Güte, was der französische Staat alles wissen will… Dann folgt die Crewliste, mit Name, Passnummer, Geburtsdatum und Geburtsort, das leuchtet schon mehr ein. Die französische Tastatur am PC ist dabei eine echte Herausforderung. Nach 10 Minuten hat man alles eingegeben und wenn man dann den richtigen Knopf drückt (!!), wird das Dokument auf dem Drucker des Immigration Officers ausgedruckt. Der will dann noch eine Unterschrift und gut ist, man ist einklariert und darf sich auf Martinique aufhalten. Leider speichert das System die eingegebenen Daten nicht und wenn du irgendwann mal ausklarieren willst, dann gibst du alles wieder von neuem ein. C’est la vie!

Auf anderen Inseln geht’s leider nicht so unkompliziert wie auf Martinique. Auf St. Lucia zog sich der Prozess über 4 Ämter hin. Zuerst mal der Health-Check. Eine Krankenschwester mass die Temperatur, checkte die Covid-Zertifikate und liess jeden einen ausgiebigen Fragebogen ausfüllen. Die Fragen muss man nicht lesen, nur überall «No» ankreuzen. Die erste Hürde war geschafft, wir bekamen so ein weisses Bändeli ans Handgelenk wie bei einem Open-Air. Ich fragte die Krankenschwester, wo es denn zur Party ginge, aber sie schickte mich stattdessen ins Büro der Immigration.

Dort wurden auf einem Formular, die gleichen Daten erfasst, wie auf Martinique mit dem PC, nur diesmal auf Papier in 3-facher Ausführung mit Durchschlag. Büroarbeit wie vor 50 Jahren. Das ich das noch erleben durfte! Ich erledigte die mühsame Schreibarbeit mit stoischer Ruhe. Gute Mine zum bösen Spiel ist die beste Strategie, ab und zu ein Scherzlein, ansonsten konzentriert schreiben und fest mit dem Kugelschreiber drücken, damit auch noch die unterste Kopie leserlich ist. Der Immigration Officer nahm das weisse Formular und die blaue Kopie zu sich und schickte mich mit der gelben Kopie ins Haus nebenan, zu Customs. Hat alles seine Ordnung. Hier wurde die gelbe Kopie genauestens gecheckt und danach die Pässe gestempelt. Ist schon cool, wenn im Pass der Name des eigenen Schiffes vermerkt wird!

hier der Passeintrag von den Grenadinen

Es folgte ein letzter Gang zur Air and Sea Agency, die uns, nachdem man eine Gebühr errichtet hatte, auch noch ihren Segen gab. Kam mir ein bisschen vor wie in der Kirche. Jedenfalls waren wir nach etwa 1h mit dem Einklarieren durch und durften nun das Paradies betreten.

Weitere Pläne

Unterdessen haben uns René und Maryse verlassen und sind zurück in die Schweiz geflogen. Bea und ich sind von Martinique aus nordwärts zur Insel Dominica gesegelt und morgen geht es weiter nach Guadeloupe. Wir wollen dann in den nächsten Wochen bis St. Maarten hoch. Mehr dazu in einem späteren Blogbeitrag.

Ab Mitte Juni geht es für uns dann zügig in den Süden, um uns aus der Hurrikan-Gefahrenzone zu bringen. Wir werden also die ganze Inselkette der Kleinen Antillen nochmals sehen und anfangs Juli in Grenada sein. Anschliessend bringen wir das Schiff nach Trinidad, welches als Hurrikan-sicher gilt.