AN DEN FLÜSSEN BRASILIENS
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IN DER WERFT IN TRINIDAD

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich mag Werften nicht. Schiffe sind nicht dafür gebaut an Land aufgebockt herum zu stehen, sie gehören ins Wasser. Schiffe wollen bewegt werden, sie wollen zu neuen Abenteuern aufbrechen und in den Sonnenuntergang hinaus segeln. Wir übrigens auch. Und doch braucht es ab und zu einen Boxenstopp auf dem Trockenen. Hier ein paar Zeilen zu unserer Zeit in Trinidad, die nun glücklicherweise vorbei ist.

Die EXTRA MILE aufgebockt neben anderen Schiffen. Das Gewicht des Schiffes steht grossmehrheitlich auf dem Kiel. Die seitlichen Stützen verhindern das Umkippen. Wir wohnen ab jetzt also im 1. Stock und müssen immer über die Leiter rauf und runter steigen. Unter dem Schiff ist Matsch und Dreck.

Es war sicher

Ein Grund, das wir das Schiff im Juli überhaupt in Trinidad aus dem Wasser nahmen, war die Hurrikan-Saison, die jeden Sommer/Herbst die Karibik bedroht. Trinidad gilt als sicher und da wir ja für einige Wochen nach Brasilien verreisen wollten, war Trinidad eine gute Wahl. Wir wollten das Schiff an einem sicheren Ort wissen. Die PEAKE Werft in Chaguaramas habe ich im Internet gefunden und schon rechtzeitig eine Reservation getätigt. Während Stürme wie “Fiona” in Kanada und “Ian” auf Florida tobten, blieb es auf Trinidad ruhig.

Morgenstund hat Porridge im Mund. Wir lagen in der ersten Reihe direkt am Wasser und hatte wenigstens die Aussicht aufs Meer.

Auch sonst hatten wir bezüglich Sicherheit wenig Grund zur Sorge. Die Werft kann sich schlechte Mund-zu-Mund-Propaganda in der Segler-Community nicht leisten und investiert daher in Security.

Es war heiß und dreckig

Wir hatten tagsüber immer Temperaturen zwischen 30 – 34 Grad und wir konnten NICHT baden! Die Hitze war fast nicht auszuhalten. Ich versuchte eine mobile Klimaanlage zu mieten, aber die waren alle restlos vergeben. Und wenn es dann so richtig heiß war und einem der Schweiss aus allen Poren drang, begann es zu Regnen und wir mussten im Boot alle Luken schliessen. Das letzte Restchen Luftzug verstummte und es wurde stickig. Sauna pur.

Antifouling abschleifen ist ne Drecksarbeit. Meine anfängliche Schutzkleidung erwies sich als mangelhaft. Haare, Gesicht und Bart waren nachher blau. Zum Glück liess sich die Farbe gut abwaschen.

Die Werft liegt zwar am Meer aber das Wasser ist in diesem industriellen Teil Trinidads so dreckig, dass niemand badet. Auch münden hier einige Flüsschen ins Meer, die den ganzen Dreck der anliegenden Ortschaften ins Meer spülen… Nein, in dieses Wasser willst du nicht rein. Auch sonst hat Trinidad auf uns einen dreckigen Eindruck gemacht. Abfall wird aus Prinzip einfach auf den Boden geworfen. Schade.

Die einzige Abkühlung (nebst dem kalten Bier aus dem Kühlschrank) war am Abend die Dusche in den schönen und klimatisierten (!) Sanitären-Anlagen der Werft. Darauf freuten wir uns jeweils den ganzen Tag. Nach getaner Arbeit den ganzen Schweiss und Dreck abzuspülen, das war wunderbar.

Es hatte Mücken

Bea schreibt: Nebst der Hitze plagten uns auch die Mücken, die gab es hier massenhaft. Das war so etwas von schlimm. Kleine fiese Mücken, welche dich an Orten stechen wo du nie denken würdest dass man dort stechen kann, z.B. am Fussgelenk, was besonders schmerzhaft ist. Da ich von uns beiden ja die mit dem «süssen Blut» bin, war ich etwas mehr geplagt als Andy. Einstimmig entschieden wir uns dann ein Moskitonetz zu kaufen und über unserem Bett aufzuhängen. Das half.

Als zusätzliche Bewaffnung haben wir so einen «Tennisschläger» gekauft, womit man die Mücken bei Berührung elektrisch verbrennt, brutal aber hilfreich. Vor dem Einschlafen wurde das Moskitonetz von innen gesäubert. Gegen die Fliegen hängte wir Fliegenfänger auf (so ein klebriges Band wie man es in der Schweiz häufig in den Kuhställen antrifft). Was macht man in der Not nicht alles… Die Mücken waren für mich eine wirklich schmerzhafte, sehr unangenehme Erfahrung und da freue ich mich auf die Zukunft, wenn wir wieder auf dem Wasser sind, denn beim Segeln auf dem Meer haben wir keine Mücken!

Es war teuer

Ich meine nicht die Werft. Dort bezahlten wir alle Nebenkosten eingerechnet ca. 20 Fr. pro Tag. Das ist ganz ok. Aber wenn man so am reparieren, auf- und umrüsten eines Schiffes ist, dann rinnt einem das Geld nur so durch die Finger. Hier noch eine Idee für eine Projekt, da noch ein Werkzeug und schon sind wieder ein paar hundert Franken ausgegeben. Wir haben in Trinidad total ca. 5000 Fr. in das Schiff investiert. Auch sonst war der Lebensunterhalt in Trinidad eher teuer. Gut sind wir dort weg!

Es war streng und mühsam

Wer sagt: «Ich muss noch einfach schnell dies oder jenes am Schiff machen» hat in einem Satz zwei mal gelogen. Denn es ist nie einfach und es geht nie schnell. Du willst eine rostige Schraube wechseln, aber sie lässt sich nicht mehr lösen. Du willst ein Kabel einziehen, aber merkst, dass es gar keinen Durchgang gibt. Du hast vor ein Teilchen zu ersetzen aber im Bootszubehörladen haben sie gerade die benötigte Grösse nicht. So kämpft man sich Schritt um Schritt voran, aber einfach und schnell geht es nie.

Bugbrett ausbauen, alten Lack abschleifen, 6 Lagen neuen Lack auftragen, nochmals schleifen, letzte 2 Schichten Lack aufpinseln, Bugbrett einbauen

Auch die Arbeitsweise der Trinis (Einwohner Trinidads) machte mir zu schaffen. Kaum einer, der wirklich kam, wenn er sagte er würde vorbei kommen. Kaum einer, der sich an abgemachte Lieferzeiten hielt. Selbst beim beantworten von Emails oder Telefonanrufen war auf wenige Verlass. Dafür forderte jeder für seinen Dienst zuerst mal einen exorbitanten Preis. Das hiess immer zuerst hart verhandeln und wenn man sich beim Preis gefunden hatte, hoffen, dass die Arbeit irgendwann auch wirklich gemacht wird. Die Leute waren freundlich und die Arbeit oft gut gemacht, aber gegen Schluss unseres Werftaufenthaltes war es ein Bangen, ob die wichtigsten Projekte abgeschlossen werden können. Einiges mussten wir zurückstellen. Der Schreiner sagte, er würde mir ein Muster vorbei bringen, aber wir sahen ihn nie wieder. Der Innendekorateur schaute sich den Job in der Gästekabine an (Arbeit für 3-4h) und schickte nachher eine Nachricht, er könne bis Ende Oktober keine neuen Aufträge annehmen. Das hätte er doch von Anfang an sagen können.

Der Rigger war einer der verlässlichen Arbeiter. Hatte auch gute Ideen und arbeitete zügig.

Reinigung des Dieseltanks

Mehrere Filter voll Dreck waren im Tank drin. Diese Masse entsteht primär durch Bakterien, die sich im Diesel vermehren. Daneben waren auch Chromstahl stücklein drin, vermutlich von der Schweissnaht, noch von der Zeit als der Tank gefertigt wurde.

Wir hätten natürlich auch warten können, bis alles fertig ist und erst dann weiter segeln. In diesem Fall wären wir aber vermutlich nächsten Sommer noch dort.

Dieses Boot hat “Wurzeln geschlagen” und kommt wohl nicht so schnell wieder ins Wasser.

Das wollten wir nicht. So haben wir mit der Werft Ende September ein Datum fürs Einwassern fixiert und das wars dann. Viele Projekte wurden fertig, einige halt nicht. Folgendes haben wir erledigt oder erledigen lassen:

  • Dieseltank gereinigt
  • Wellenlager ausgewechselt und Motorwelle richten lassen
  • Genoa (Vorsegel) gewaschen und ausgebessert
  • Sprayhood ausgebessert
  • Bootsrumpf gewaschen und poliert
  • Unterwasserbelag angeschliffen und neues Antifouling aufgetragen (Farbe am Unterwasserschiff, die verhindert, dass sich Muscheln am Rumpf ansetzen)
  • Aufhängung aus Chromstahl am Heck schweissen lassen, um das Dinghy aufzuhängen
  • Wassereintritt bei Kabelführung abgedichtet
  • Bootsbeschriftung neu machen lassen
  • Cockpit poliert
  • Verstärkungen am Ankerkasten machen lassen
  • Bugbrett neu lackiert
  • neues Kabel für Gasfernschalter eingezogen
  • diverse rostige Schrauben durch rostfreie ersetzt
  • neue Uhr und Barometer in Deutschland bestellt (wird im November geliefert)
    u.v.a.m

Schiffswand (Gelcoat) wird zuerst gewaschen, dann poliert und anschliessend mit Wachs behandelt.

Wifi-Booster Antenne vorher und nachher. Noch den Rost ganz wegmachen und gut ist.

Es war hilfreich und gesellig

In einer Werft werkeln alle an ihren Booten und man hilft einander aus, wenn man Werkzeug oder Wissen braucht. Da schreibst du in den Werft-WhatsApp-Chat: Hat jemand eine 55mm Lochsäge? Prompt meldet sich ein Amerikaner, der einen 2 1/8 inch Bohrer hat (ca. 54mm). Hat tip top gepasst.

Znacht bei Yvan & Nathalie. Das kanadische Paar hat auch eine Jeanneau 45.2 genau wie wir. Nebst der technischen Fachsimpelei entwickelte sich eine schöne Freundschaft.

Es entsteht auch ein soziales Leben. Man schwatzt, lädt Leute zum Apéro oder zum Znacht ein, plaudert über Erfahrungen und Pläne, die Ladies fahren zusammen zum Shopping oder gehen ins Yoga. Und 1x pro Woche gibt es ein von der Werft organisiertes BBQ. Da trifft man Segler aus der ganzen Welt und es kommen die verschiedensten Lebensgeschichten zusammen. Da ist das australische Ehepaar, das hier in Trinidad einen alten Katamaran gekauft hat und ohne Segelerfahrung (!) mal losziehen will. Da ist die Familie aus den USA, die mit ihrem Segelboot auf dem Weg von der Antarktis zurück in die USA ist. Da sind solche, die seit Corona nun hier in Trinidad festsitzen und aus irgendwelchen Gründen noch nicht aufgebrochen sind. Viele sind (früh)pensioniert und staunen über unsere Plänen, nächstes Jahr wieder zurück in die Arbeitswelt zu gehen. Aber ja, so sieht es aus. Wir planen nächstes Jahr wieder zurück in die Schweiz zu reisen und dann stehen noch ein paar Jährchen Erwerbsleben an (so nennt sich das, oder?)

Bea schreibt: Ein Highlight in der Werft für mich war Hatty mit ihren Yoga-Lektionen. Hatty war eine britische Yoga-Instruktorin, die unsere Werft beschenkte, indem sie 3x wöchentlich jeweils morgens um 7.00h eine Stunde Yoga anbot. Auch hier gab es Mücken, und wir versuchten der Plage mit Mückenspray und Räucherstäbli Herr zu werden. Um 7 Uhr morgens war es schon heiß genug, so dass man sogar beim Yoga schwitzte. Auch wenn Yoga für mich eine neue Form von Gruppenfitness was, so genoss ich es auf diese Weise in den Tag zu starten. Wir waren jeweils bis zu 16 Leuten inklusive einigen Männern, mega! Letzte Woche bat uns Hatty am Montag das Yoga ausfallen zu lassen, denn das war der Tag der Beerdigung der Queen. Es nahm sie persönlich wirklich mit und sie wollte die Feierlichkeiten am Fernsehen mitverfolgen. Natürlich liessen wir das Yoga ausfallen. So sieht eine Yoga-Lektion kurzgefasst aus 😉

 

Ein weiteres gemeinsames Erlebnis war das Einkaufen. In der Werft selber gab es nur 3 kleinere Lädeli mit einem begrenzten Angebot. Die Werft hat aber einen Shuttlebus und man kann sich via einer WhatsApp-Gruppe für eine Einkaufstour eintragen. Dann fährt der Bus die Leute zum Supermarkt. Dort kauft jedes ein was es braucht und kommt zur abgemachten Zeit wieder zum Bus zurück. Das war immer spannend. Sei dies wie verschieden wir alle einkaufen oder dass es so stark regnete, dass die Strassen überflutet waren und wir fast nicht fahren konnten oder dass umgestürzte Bäume die Strassen versperrten und es eine Ewigkeit dauerte, bis wir wieder zurück in der Werft waren. Oder einmal kaufte eine Frau in einem Homestore sechs Kissen, welche unglaublich teuer waren und riesengross, so dass sie fast den ganzen Bus füllten und wir so viel zu lachen hatten. Die Shoppingtouren waren für mich jedenfalls eine gute Abwechslung zu den vielen Arbeiten am Schiff.

Es war Zeit zu gehen

Am 28. Sept wurde die EXTRA MILE eingewassert. Noch am gleichen Tag haben wir in Trinidad ausklariert und sind am nächsten Morgen um 5.40 Uhr Richtung Tobago losgetuckert. Hier sind wir nun und geniessen wieder das Seglerleben. Es ist kühler und wenn es uns zu heiß wird, dann hilft ein Sprung ins saubere Meer. Wir planen ca. 2-3 Woche auf Tobago zu bleiben und dann Richtung Martinique zu segeln.

Nach getaner Arbeit wird die EXTRA MILE in ihr Element herab gesenkt. Endlich kann es weiter gehen.