DAS SATTE GRÜN VON TOBAGO
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VON DEN KLEINEN ZU DEN GROSSEN ANTILLEN
03/02/2023
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ZWEI MAL NACH CARRIACOU

Habe meine Frau auf der kleinstmöglichen Insel ausgesetzt. Immer hin hat es einen Sonnenschirm.. 😉
Nur keine Sorge, Bea und ich vertragen uns wieder ganz gut.

Carriacou ist eine Reise wert

Am Ende des letzten Blogs waren wir in Carriacou angekommen. Von den vielen Inseln, die wir bisher bereist haben, hat uns diese besonders gut gefallen. Carriacou ist Karibik von der schönsten Seite: Glasklares Wasser und ein Traumstrand am anderen. Nebst baden, schnorcheln und gut essen unternahmen wir auch zwei tolle Wanderungen zu schönen Aussichtspunkten. Im Paradise Beach Club verewigten wir uns mit einem gemalten EXTRA MILE -Täfelchen. Ihr dürft es gerne unter den vielen anderen Bootstäfelchen suchen, wenn ihr dort mal vorbei kommt.


Die EXTRA MILE Crew wird interviewt im Boatcast

Wir bogen an der Nordwest-Ecke von Carriacou in eine kleine Bucht ein, die Anse la Roche, und entdeckten im Ankerfeld die MABUL, ein Schiff unter Schweizer Flagge. Wir sahen, dass sie das Grosssegel gehisst hatten, vermutlich würden sie gleich ablegen. Also fuhren wir nahe an ihnen vorbei um kurz Hallo rüber zu rufen. Danach drehten wir eine Runde, bereiteten unseren Anker vor und würden dann ihren Platz übernehmen. Doch statt den Anker zu lichten und loszusegeln, kam auf der MABUL nach kurzer Zeit das Grosssegel wieder herunter. Sah nicht danach aus, als würden sie demnächst ihren Platz verlassen. Also ankerten wir etwas weiter hinten und fuhren nachher mit dem Dinghy zu ihnen rüber. Tatsächlich wollte ihr Motor nicht starten und sie entschieden sich in der Bucht zu bleiben, bis das Problem gelöst wäre. So lernten wir Karin und Alex kennen. Karin war lange Jahre Asien-Korrespondentin bei SRF und fragte uns bald einmal an, ob sie uns über unsere Reise für ihren persönlichen Podcast interviewen könne. So entstand der folgende Beitrag, den ihr euch gerne hier anhören könnt. (Klicke in der Liste auf den Beitrag “E14 Ein Orkaangriff und zehn Seeigel“)

Anse la Roche, Carriacou. EXTRA MILE 2. Boot von links. MABUL 2. Boot von rechts.

Die Antillen hoch und runter

Nach Carriacou segelten wir zügig nach Martinique. November war für uns ein Arbeitsmonat. Für diesen Monat waren zwei Ausbildungstörns aufgegleist. 2 x 10 Tage Törn + 2 x 3 Tage Vorbereitung = 1 Monat Arbeit. Da wir im Sommer während der Hurrikan-Saison keine Törns durchführen konnten, hatten wir dafür im November gleich zwei Törns ausgeschrieben. Beide waren ausgebucht, starteten ab Martinique und wurden dort auch beendet. Martinique ist für uns sozusagen die Home-Base hier auf den Antillen. Die Insel ist flugtechnisch via Paris von Europa aus gut erreichbar und zudem bekommt man hier alles, was man braucht. Und ich meine nicht nur die Baguettes, den wunderbaren französischen Käse und die herrlichen Weine, sondern auch Ersatzteile fürs Schiff und jegliche Art von Reparatur und technischem Support. Ein guter Start- und Zielort für Törns.

Bei der Törnplanung richten wir uns hauptsächlich nach dem Wind. Hier auf den Kleinen Antillen gibts eigentlich das ganze Jahr über Ostwind, der mal über Ost-Süd-Ost auf Süd-Ost kippen kann. Umgekehrt sind auch Variationen von Ost-Nord-Ost oder gar Nord-Ost möglich. Wie auch immer, Ost ist immer dabei. (Alles klar? Oder soll ich’s für dich aufzeichnen?)

Philipp navigiert uns durch eine untiefe Passage

Als die erste Crew ankam, hatten wir etwas Süd im Ostwind und wir segelten in den Norden nach Guadeloupe und anschliessend wieder zurück nach Martinique. Ein paar Tage später stand schon die nächste Crew am Steg. Diesmal war der Ostwind leicht auf Nord gekippt und so gabs einen langen Schlag nach Süden nach Carriacou. Ja, Carriacou wollten wir den Gästen nicht vorenthalten. So konnten wir all die schönen Orte auf dieser Insel wieder besuchen, die wir schon kannten. Von dort aus ging’s dann über Tobago-Keys und die Grenadinen wieder zurück nach Martinique.

Michel, Claudia und Gina auf einer windigen Überfahrt

Vom Backpacker zum Bootsbesitzer

Bea schreibt: In der Werft in Trinidad lernten wir Lena & Adrian aus Süddeutschland kennen. Sie kamen als Rucksacktouristen nach Trinidad und wollten nach dem Prinzip «Hand gegen Koje» auf Segelbooten durch die Karibik reisen. D.h. sie erledigen Arbeiten an Bord und können gratis mitsegeln. Es sind zwei tolle, junge Leute und wir hatten mit ihnen in Trinidad abgemacht, dass sie mit uns von St. Lucia nach Martinique mitsegeln können und dafür eine grössere Klebarbeit in den zwei Heckkabinen erledigen. Dies klappte dann nicht, da ihre Reise anders verlief. Aber wir trafen uns wieder auf Martinique und sie boten uns ihre Hilfe gegen ein auswärts Abendessen an. Wie cool, das nahmen wir gerne an. So wurden die Gästekabinen verbessert und gleichzeitig unsere Freundschaft bei einem feinen Znacht gefestigt. Später luden wir sie zu einem Schweizer Fondue (mitgebracht von einer unserer Crew) bei uns an Bord ein. Nachdem wir den Unterschied zwischen Raclette und Fondue geklärt hatten, brachten sie noch einen selbstgemachten Laugenkranz mit und es konnte losgehen. Mit feinem Weisswein, Brot, Birnen und zu guter Letzt einem guten Schluck vom besten karibischen Rum wurde es ein rundum toller Abend.

Fondueplausch auf der EXTRA MILE mit Adrian & Lena

Dann kam die grosse Überraschung: Sie entschlossen sich kurzerhand selber ein gebrauchtes Segelschiff zu kaufen und fragten Andy an, ob er sich mal das gefundene Occasions-Boot auf Martinique ansehen würde. Das machte er gerne. Unterdessen segeln Lena & Adrian auf eigenem Kiel Richtung Süden und wir hoffen sie wieder zu sehen, wer weiss, spätestens dann wieder auf dem Festland mal bei ihnen im Schwarzwald.

Und wenn wir schon beim Thema sind…

Vom Bootsbesitzer zum Bootsverkäufer

… wir haben die EXTRA MILE verkauft. Ja, du hast richtig gelesen: Wir haben unser Schiff verkauft. Noch segeln wir zwar mit ihr in der Karibik herum und leben auf dem Boot, aber der Vertrag ist unterzeichnet und die Dinge nehmen ihren Lauf. Unsere Reise neigt sich dem Ende entgegen.

Cockpit mit zwei Steuerständen, kompletter Navigation, vorne 4 Winchen für die Bedienung der Segel

Es braucht in der Regel Zeit um ein Boot zu verkaufen. So haben wir unsere Segeljacht im Oktober zum Verkauf ausgeschrieben, mit der Idee, das Schiff dem neuen Eigner im Mai 2023 auf den Bahamas zu übergeben. Von dort könnte man es in die USA überführen, oder zurück zu den Antillen segeln oder aber über den Atlantik nach Europa schippern. Der Mai ist die beste Zeit für eine Atlantiküberquerung von West nach Ost. So unsere Überlegungen. Relativ schnell meldete sich ein ernsthafter Interessent und zwar einer, den wir bereits kannten. Er war schon auf zwei Törns mit uns auf der EXTRA MILE mitgesegelt, kennt das Schiff und seine Vorzüge und hat rasch eine klare Ansage gemacht. Nachdem rechtliche Fragen wegen der europäischen Mehrwertsteuer geklärt waren, haben wir den Vertrag aufgesetzt und unterschrieben. Den anderen Interessenten habe ich eine Absage geschickt und das Inserat wieder vom Netz genommen.

Als nächster Schritt steht nun in 2 Wochen das Gutachten an. Ein Bootsprofi aus Martinique wird das Boot inspizieren und zu Handen des Käufers einen ausführlichen Bericht erstellen. Das Schiff wird für ein paar Stunden sogar ausgekrant, damit auch das Unterwasserschiff begutachtet werden kann. Wir erwarten keine Überraschungen, sind aber trotzdem gespannt.

Salon, Lebensraum, Küche, Büro, Materiallager und Kino in einem

Der rasche Verkauf gibt uns Planungssicherheit. Wir können nun für Mai 2023 die Rückreise in die Schweiz und den Wiedereinstieg im Heimatland konkret angehen. Das ist super. Umgekehrt hat mit dem Schiffsverkauf ein Loslöseprozess begonnen – meines Erachtens viel zu früh – der nicht ganz einfach ist.

Die EXTRA MILE ist für uns weit mehr als ein Schiff. Es ist ein Zuhause. Die EXTRA MILE kam zu verschiedenen Ecken der Erde mit und bot uns stets eine zuverlässige Plattform zu einem Leben in grosser Freiheit. Sie war eine anspruchsvolle Lady, wollte gehegt und gepflegt werden, belohnte uns wiederum mit wunderschönen Momenten und unzähligen Abenteuern. Die EXTRA MILE steht für einen prägenden Lebensabschnitt, für unser Segel-Timeout, und auch wenn das etwas abgedroschen klingt, für die besten Jahre meines bisherigen Lebens.

Bea zieht es nach 2 1/2 Jahren langsam aber sicher wieder in die Schweiz zurück. Sie vermisst Familie, Freundinnen und Freunde und auch ihren Beruf als Mütter- und Väterberaterin sehr. Sie war gerne auf dem Meer unterwegs, aber kehrt auch gerne wieder ins ursprüngliche Leben auf dem Festland zurück. Ich könnte durchaus noch länger bleiben. Klar, auf das Wiedersehen mit lieben Menschen freue ich mich ebenfalls, aber beruflich habe ich auf dem Meer eine Tätigkeit gefunden, die ich liebe. Ich bin gerne Skipper und Ausbildner. Es bereitet mit grosse Freude, wenn Törnteilnehmer auf unserem Boot neue Erfahrungen machen und in ihren Kompetenzen als Seglerinnen und Segler gestärkt werden. Zusätzlich betreue ich von meinem Laptop aus Dutzende von Kursteilnehmenden in meinem Onlinekurs und leite als digitaler Nomade eine kleine Unternehmung in der Schweiz. Und zwischendurch sitze ich einfach nur da, sehen den Wellen zu und geniesse es, wie die EXTRA MILE ihre Bahn durchs Wasser zieht. Das Leben auf dem Meer ist für mich enorm erfüllend und ich werde es vermissen. Darum – nein, wir haben (noch) keine Korken knallen lassen, als der Kaufvertrag unterschrieben wurde. Wir sind zwar dankbar, froh und erleichtert, aber zur Zeit auch etwas melancholisch unterwegs.