Was machst du jeweils so am Samstag? – Manche schlafen aus, nehmen sich Zeit für Sport und Hobbies, machen einen Ausflug, treffen sich mit Freunden oder nehmen an einer Veranstaltung ihrer Wahl teil. An manchen Samstagen steht man morgens früh auf, aber nicht um zur Arbeit zu eilen, sondern weil man wandern oder Skifahren geht. Einige nutzen den Samstag um den Rasen zu mähen, etwas am Haus zu machen, das Auto zu waschen oder den Grosseinkauf zu tätigen oder sie engagieren sich ehrenamtlich. Samstage können durchaus anstrengend sein, wenn man z.B. dem Kollegen beim Umzug oder bei der Hausrenovation hilft. Und doch ist die «Arbeit» am Samstag eine ganz andere als diejenige unter der Woche – anders, weil selbstbestimmt.
Wenn wir das Gefühl umschreiben wollten, wie sich unser Segeltimeout angefühlt hat, dann würden wir sagen, es war wie 3 Jahre lang Samstag.
Wir sind gesegelt und gereist, haben viel Neues gesehen und erlebt, haben ausgeschlafen, gebadet, gut gegessen und so manch schönen Moment in uns aufgesogen. Wir haben aber auch viel und streng gearbeitet, unser Schiff geputzt, gepflegt und repariert, Törns geplant, vorbereitet und durchgeführt. Während du friedlich schliefst, waren wir auf dem Meer unterwegs und haben manche Nachtwache gehalten. Manchmal locker, manchmal streng, in allem war unser Leben aber maximal selbstbestimmt. Wir haben uns immer wieder die Frage gestellt: Was wollen wir heute tun? Was die nächste Woche? Wohin soll es in den nächsten Monaten gehen? Und dann haben wir das gemacht, woran wir Freude hatten. Diese grosse Freiheit war wundervoll und alle Entbehrungen wert. Durch die weit im voraus ausgeschriebenen Törns waren in der Planung zwar gewisse Eckpfeiler gesetzt, aber dazwischen blieb viel Freiraum für selbstgewählte Abenteuer.
Zurückgelegte Seemeilen: 18’500nm (als Vergleich: Der Erdumfang beträgt 21’600nm)
Besuchte Länder: 18
Durchgeführte Törns: 37
Anzahl Gäste an Bord: 79
Rückblickend können wir sagen, dass in unserem Timeout einfach ganz viel gepasst hat. Die EXTRA MILE war für uns zweifellos das richtige Schiff. Sie war stabil und schnell und auch zu zweit einfach zu segeln. Sie hatte eine für unsere Bedürfnisse sinnvolle Raumaufteilung und war geräumig genug um mit bis zu 6 Personen bequem unterwegs zu sein. Dank dem kurzen Kiel (1.65m Tiefgang) konnten wir manches Flussabenteuer in Angriff nehmen und manche seichte Stelle im Meer queren.
Bea und ich waren das richtige Team. Wenn man als Paar zusammen segeln will, muss es in der Partnerschaft passen. Man ist oft und lange auf engem Raum zusammen, das muss man mögen. Klar gab es auch Situationen wo wir einander in die Haare geraten sind, aber es passierte eher selten und die Unstimmigkeiten konnten meist schnell wieder gelöst werden. Es entstand auch bald eine klare Aufgabenteilung, die das Miteinander vereinfachte. Bea war verantwortlich für alles, was «unter Deck» vor sich ging (einkaufen, bunkern, kochen, Gäste beim kochen anleiten, Reinigung unter Deck, Wäsche waschen und med. Fragen). Ich wiederum war für alles zuständig was «auf Deck» zu erledigen war (Instruktion der Gäste, Segelunterricht, Bootsunterhalt, Routenplanung, Reinigung auf Deck, Kontakt mit Technikern/ Werften/ Marinas). So hatte jeder sein Arbeitsfeld und wir sahen diese Aufgabenbereiche als gleichwertig an.
Das Sabbatical basierte auf einem für uns sinnvollen Konzept. Wir wollten grösstenteils alleine reisen, aber hin und wieder auch mit Gästen. Schlussendlich hatten wir im Schnitt ca. jede 4. Woche Leute an Bord. Das waren einerseits Freunde und Familienangehörige, die uns besuchten, aber meistens Segler und Seglerinnen, die Meilen und Erfahrungen für den Hochseeschein sammelten. Die Gäste brachten Abwechslung, Interaktion und für uns eine Aufgabe mit an Bord. Der Mix aus allein unterwegs sein und Gäste an Bord haben, hat gut getan.
Auch der Mix aus Arbeit und Freizeit war sinnvoll. Bea und ich haben während der letzten 3 Jahre beide etwa 40% gearbeitet. 37 Törns machen sich nicht von alleine, der Unterhalt des Schiffes hat viel Zeit in Anspruch genommen und auch die Betreuung der Online-Angebote von hochamwind haben Andy immer wieder an den Laptop und ans Telefon geholt.
So ist die Reise auch finanziell gut aufgegangen. Die anfallenden Kosten für Leben und Schiff konnten wir weitgehend mit den Einnahmen aus hochamwind und den Törns decken. Alles in allem haben wir ca. 40’000 Franken aus unseren privaten Ersparnissen für diese 3 Jahre verwendet.
Auch die Route hat gepasst. Die EXTRA MILE hat uns zu vielen wunderbaren Orte getragen. Wir sind jetzt noch voll von den Eindrücken und können gar nicht sagen, wo es uns am besten gefallen hat. Den Grossteil der Route konnten wir so segeln, wie geplant. Einzig der Abstecher im Sommer 2021 nach Schottland fiel der Pandemie zum Opfer. Ein geplanter Whiskey-Törn mit Freunden des edlen Gerstensaftes musste abgesagt werden. Das war schade. Aber statt in Schottland verbrachten wir den Sommer 2021 in der schönen Bretagne – ein ebenbürtiger Ersatz.
Zeitlich haben wir das Sabbatical von zwei auf drei Jahre verlängert. Das war eine gute Entscheidung und hat entschleunigt. Zwei Jahre sind schlichtweg zu kurz um segeln zu gehen, vor allem, wenn man den Atlantik überqueren und eine Zeit lang in der Karibik verweilen will.
Auch glauben wir, dass es der richtige Zeitpunkt war. Unsere Kinder sind schon alt genug um selber für sich zu sorgen. Umgekehrt sind meine Eltern noch jung genug um auch noch für sich selber zu sorgen. So waren wir frei zu gehen.
Zu guter Letzt hat unsere Gesundheit gut mitgemacht. Das ist nicht selbstverständlich. Wir waren während der drei Jahren auf See nie krank und hatten keine nennenswerten Unfälle. Auch sonst wurden wir vor jedwelchem Übel verschont. Selbst das in Spanien gestohlene Dinghy hat die Polizei wieder sichergestellt. Und das von den Orcas zerschepperte Ruder konnte in vernünftiger Zeit und grösstenteils auf Kosten der Versicherung repariert werden.
Auf einer solchen Reise kann man zwar vieles planen und vorbereiten, aber gleichzeitig hat man so manche Faktoren nicht in der Hand. Wir fühlen uns daher reich beschenkt und sind dankbar, dass wir diese Segelreise so durchführen konnten.
Als Rückblick auf die Reise hier ein soeben fertig gestelltes Video unserer 15-tägigen Atlantiküberquerung von Kapverden nach Martinique im April 2022.
Diesen letzten Blog schreiben wir mitten in den Umzugsvorbereitungen. Am Samstag ziehen wir von Uzwil nach Altnau an den Bodensee, wo wir eine Wohnung gemietet haben. Wenn schon nicht am Meer, so wollen wir in der Schweiz wenigsten an einem See wohnen.
Bea arbeitet seit 1. Juni bei «Perspektive Thurgau» zu 50% wieder in ihrem alten Beruf als Mütter- und Väterberaterin. Sie hat vorderhand keinen festen Arbeitsort, sondern ist als Springerin in verschiedenen Gemeinden im Kanton Thurgau unterwegs. Sie wird zudem auf selbständiger Basis ambulante Wochenbettbetreuung anbieten. Auch wenn der Einstieg in den Arbeitsalltag für sie streng war, so ist sie merklich aufgeblüht. Ihr tut es gut eine Aufgabe zu haben, wo sie ihre Stärken und ihr grosses Wissen für andere einbringen kann. Das hatte sie auf See vermisst.
Bei mir ist es umgekehrt. Seit der Rückkehr aufs Festland bin ich zwar ständig beschäftigt (mit Autokauf, Versicherungszeug, Wohnung, Umzug organisieren etc etc) aber nicht erfüllt. Nach 3 Jahren Abenteuer auf See besteht für mich zur Zeit die grösste Herausforderung im Alltag darin, ob wir das neue Sofa in petrol oder doch lieber in olivgrün bestellen wollen… na ja, da bleibt die Sinn-Frage ungeklärt. Habe darum die Flucht nach vorne ergriffen und einerseits im Oktober zwei Ausbildungstörns auf Korfu ausgeschrieben (es hat noch freie Plätze!) und mir andrerseits ein Motorrad gekauft. Das hilft.
Vermutlich hilft es auch, wenn ich dann eine feste Arbeitsstelle angetreten habe. Ich werde ab August in Arbon am Integrationskurs für ausländische Jugendliche Deutsch unterrichten. Darauf freue ich mich. Es wird ein Arbeitspensum von 80% sein, wobei der Freitag im kommenden Schuljahr tatsächlich ein frei-Tag sein wird und wir mit Bea jede Woche ein verlängertes Wochenende geniessen können. Kombiniert mit dem Töff eröffnet das wieder neue Lebensräume. Daher beisse ich vorderhand durch, im Wissen, dass sich das Leben schon wieder einpegeln wird.
Unser Timeout haben wir nicht alleine gestemmt. Viele Leute haben auf die eine oder andere Weise zum Gelingen dieser Reise beigetragen. Wir beenden unsere Reise-Berichterstattung daher mit einer (hoffentlich umfassenden) Dankesliste:
Unser Dank geht an
Lebt wohl!
Andy & Bea