DAS GIN-KLARE WASSER DER BAHAMAS
06/05/2023
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3 JAHRE SAMSTAG

Was machst du jeweils so am Samstag? – Manche schlafen aus, nehmen sich Zeit für Sport und Hobbies, machen einen Ausflug, treffen sich mit Freunden oder nehmen an einer Veranstaltung ihrer Wahl teil. An manchen Samstagen steht man morgens früh auf, aber nicht um zur Arbeit zu eilen, sondern weil man wandern oder Skifahren geht. Einige nutzen den Samstag um den Rasen zu mähen, etwas am Haus zu machen, das Auto zu waschen oder den Grosseinkauf zu tätigen oder sie engagieren sich ehrenamtlich. Samstage können durchaus anstrengend sein, wenn man z.B. dem Kollegen beim Umzug oder bei der Hausrenovation hilft. Und doch ist die «Arbeit» am Samstag eine ganz andere als diejenige unter der Woche – anders, weil selbstbestimmt.

Wenn wir das Gefühl umschreiben wollten, wie sich unser Segeltimeout angefühlt hat, dann würden wir sagen, es war wie 3 Jahre lang Samstag.

ein feines spanisches Frühstück in La Linea, Dezember 2020

Wir sind gesegelt und gereist, haben viel Neues gesehen und erlebt, haben ausgeschlafen, gebadet, gut gegessen und so manch schönen Moment in uns aufgesogen. Wir haben aber auch viel und streng gearbeitet, unser Schiff geputzt, gepflegt und repariert, Törns geplant, vorbereitet und durchgeführt. Während du friedlich schliefst, waren wir auf dem Meer unterwegs und haben manche Nachtwache gehalten. Manchmal locker, manchmal streng, in allem war unser Leben aber maximal selbstbestimmt. Wir haben uns immer wieder die Frage gestellt: Was wollen wir heute tun? Was die nächste Woche? Wohin soll es in den nächsten Monaten gehen? Und dann haben wir das gemacht, woran wir Freude hatten. Diese grosse Freiheit war wundervoll und alle Entbehrungen wert. Durch die weit im voraus ausgeschriebenen Törns waren in der Planung zwar gewisse Eckpfeiler gesetzt, aber dazwischen blieb viel Freiraum für selbstgewählte Abenteuer.

ein Boot macht viel Arbeit, etwa so wie ein Haus

Segeltimeout 2020 – 2023 in Zahlen

Zurückgelegte Seemeilen: 18’500nm (als Vergleich: Der Erdumfang beträgt 21’600nm)

Besuchte Länder: 18

Durchgeführte Törns: 37

Anzahl Gäste an Bord: 79

Vieles hat gut gepasst

Rückblickend können wir sagen, dass in unserem Timeout einfach ganz viel gepasst hat. Die EXTRA MILE war für uns zweifellos das richtige Schiff. Sie war stabil und schnell und auch zu zweit einfach zu segeln. Sie hatte eine für unsere Bedürfnisse sinnvolle Raumaufteilung und war geräumig genug um mit bis zu 6 Personen bequem unterwegs zu sein. Dank dem kurzen Kiel (1.65m Tiefgang) konnten wir manches Flussabenteuer in Angriff nehmen und manche seichte Stelle im Meer queren.

Die EXTRA MILE, unser Zuhause während der letzten 3 Jahre, am letzten Ankerplatz auf den Bahamas, April 2023

Bea und ich waren das richtige Team. Wenn man als Paar zusammen segeln will, muss es in der Partnerschaft passen. Man ist oft und lange auf engem Raum zusammen, das muss man mögen. Klar gab es auch Situationen wo wir einander in die Haare geraten sind, aber es passierte eher selten und die Unstimmigkeiten konnten meist schnell wieder gelöst werden. Es entstand auch bald eine klare Aufgabenteilung, die das Miteinander vereinfachte. Bea war verantwortlich für alles, was «unter Deck» vor sich ging (einkaufen, bunkern, kochen, Gäste beim kochen anleiten, Reinigung unter Deck, Wäsche waschen und med. Fragen). Ich wiederum war für alles zuständig was «auf Deck» zu erledigen war (Instruktion der Gäste, Segelunterricht, Bootsunterhalt, Routenplanung, Reinigung auf Deck, Kontakt mit Technikern/ Werften/ Marinas). So hatte jeder sein Arbeitsfeld und wir sahen diese Aufgabenbereiche als gleichwertig an.

Das Sabbatical basierte auf einem für uns sinnvollen Konzept. Wir wollten grösstenteils alleine reisen, aber hin und wieder auch mit Gästen. Schlussendlich hatten wir im Schnitt ca. jede 4. Woche Leute an Bord. Das waren einerseits Freunde und Familienangehörige, die uns besuchten, aber meistens Segler und Seglerinnen, die Meilen und Erfahrungen für den Hochseeschein sammelten. Die Gäste brachten Abwechslung, Interaktion und für uns eine Aufgabe mit an Bord. Der Mix aus allein unterwegs sein und Gäste an Bord haben, hat gut getan.

unterwegs mit toller Crew über die Biskaya, September 2021

Auch der Mix aus Arbeit und Freizeit war sinnvoll. Bea und ich haben während der letzten 3 Jahre beide etwa 40% gearbeitet. 37 Törns machen sich nicht von alleine, der Unterhalt des Schiffes hat viel Zeit in Anspruch genommen und auch die Betreuung der Online-Angebote von hochamwind haben Andy immer wieder an den Laptop und ans Telefon geholt.

So ist die Reise auch finanziell gut aufgegangen. Die anfallenden Kosten für Leben und Schiff konnten wir weitgehend mit den Einnahmen aus hochamwind und den Törns decken. Alles in allem haben wir ca. 40’000 Franken aus unseren privaten Ersparnissen für diese 3 Jahre verwendet.

Auch die Route hat gepasst. Die EXTRA MILE hat uns zu vielen wunderbaren Orte getragen. Wir sind jetzt noch voll von den Eindrücken und können gar nicht sagen, wo es uns am besten gefallen hat. Den Grossteil der Route konnten wir so segeln, wie geplant. Einzig der Abstecher im Sommer 2021 nach Schottland fiel der Pandemie zum Opfer. Ein geplanter Whiskey-Törn mit Freunden des edlen Gerstensaftes musste abgesagt werden. Das war schade. Aber statt in Schottland verbrachten wir den Sommer 2021 in der schönen Bretagne – ein ebenbürtiger Ersatz.

wir laufen in La Rochelle ein, ein Tall Ship verlässt soeben den Hafen

Zeitlich haben wir das Sabbatical von zwei auf drei Jahre verlängert. Das war eine gute Entscheidung und hat entschleunigt. Zwei Jahre sind schlichtweg zu kurz um segeln zu gehen, vor allem, wenn man den Atlantik überqueren und eine Zeit lang in der Karibik verweilen will.

Auch glauben wir, dass es der richtige Zeitpunkt war. Unsere Kinder sind schon alt genug um selber für sich zu sorgen. Umgekehrt sind meine Eltern noch jung genug um auch noch für sich selber zu sorgen. So waren wir frei zu gehen.

Zu guter Letzt hat unsere Gesundheit gut mitgemacht. Das ist nicht selbstverständlich. Wir waren während der drei Jahren auf See nie krank und hatten keine nennenswerten Unfälle. Auch sonst wurden wir vor jedwelchem Übel verschont. Selbst das in Spanien gestohlene Dinghy hat die Polizei wieder sichergestellt. Und das von den Orcas zerschepperte Ruder konnte in vernünftiger Zeit und grösstenteils auf Kosten der Versicherung repariert werden.

nach dem Orca-Angriff werden wir von der spanischen Guardia Costera nach Vigo zurück geschleppt

Auf einer solchen Reise kann man zwar vieles planen und vorbereiten, aber gleichzeitig hat man so manche Faktoren nicht in der Hand. Wir fühlen uns daher reich beschenkt und sind dankbar, dass wir diese Segelreise so durchführen konnten.

Als Rückblick auf die Reise hier ein soeben fertig gestelltes Video unserer 15-tägigen Atlantiküberquerung von Kapverden nach Martinique im April 2022.

Vom Seebären zur Landratte

Diesen letzten Blog schreiben wir mitten in den Umzugsvorbereitungen. Am Samstag ziehen wir von Uzwil nach Altnau an den Bodensee, wo wir eine Wohnung gemietet haben. Wenn schon nicht am Meer, so wollen wir in der Schweiz wenigsten an einem See wohnen.

Blick von unserem Balkon auf den Bodensee

Bea arbeitet seit 1. Juni bei «Perspektive Thurgau» zu 50% wieder in ihrem alten Beruf als Mütter- und Väterberaterin. Sie hat vorderhand keinen festen Arbeitsort, sondern ist als Springerin in verschiedenen Gemeinden im Kanton Thurgau unterwegs. Sie wird zudem auf selbständiger Basis ambulante Wochenbettbetreuung anbieten. Auch wenn der Einstieg in den Arbeitsalltag für sie streng war, so ist sie merklich aufgeblüht. Ihr tut es gut eine Aufgabe zu haben, wo sie ihre Stärken und ihr grosses Wissen für andere einbringen kann. Das hatte sie auf See vermisst.

ein lang ersehntes Wiedersehen mit Bea’s Söhnen, Janis und Timon, und deren Herzensdamen

Andy’s Jungs, Mischa und Beni, und deren Freundinnen

Bei mir ist es umgekehrt. Seit der Rückkehr aufs Festland bin ich zwar ständig beschäftigt (mit Autokauf, Versicherungszeug, Wohnung, Umzug organisieren etc etc) aber nicht erfüllt. Nach 3 Jahren Abenteuer auf See besteht für mich zur Zeit die grösste Herausforderung im Alltag darin, ob wir das neue Sofa in petrol oder doch lieber in olivgrün bestellen wollen… na ja, da bleibt die Sinn-Frage ungeklärt. Habe darum die Flucht nach vorne ergriffen und einerseits im Oktober zwei Ausbildungstörns auf Korfu ausgeschrieben (es hat noch freie Plätze!) und mir andrerseits ein Motorrad gekauft. Das hilft.

Hit the road Jack

Vermutlich hilft es auch, wenn ich dann eine feste Arbeitsstelle angetreten habe. Ich werde ab August in Arbon am Integrationskurs für ausländische Jugendliche Deutsch unterrichten. Darauf freue ich mich. Es wird ein Arbeitspensum von 80% sein, wobei der Freitag im kommenden Schuljahr tatsächlich ein frei-Tag sein wird und wir mit Bea jede Woche ein verlängertes Wochenende geniessen können. Kombiniert mit dem Töff eröffnet das wieder neue Lebensräume. Daher beisse ich vorderhand durch, im Wissen, dass sich das Leben schon wieder einpegeln wird.

Kürzlich konnten wir ein Wochenende mit Freunden auf dem Neuenburgersee verbringen. Wie schön, in guter Gesellschaft wieder auf dem Wasser zu sein!

Ein grosses Dankeschön

Unser Timeout haben wir nicht alleine gestemmt. Viele Leute haben auf die eine oder andere Weise zum Gelingen dieser Reise beigetragen. Wir beenden unsere Reise-Berichterstattung daher mit einer (hoffentlich umfassenden) Dankesliste:

Unser Dank geht an

  • meine Eltern Jan & Milena, dass sie mir als Kind Abenteuerbücher von Arthur Ransom über das Segeln zum Lesen gegeben haben, und meinem Vater besonders für das Geschenk eines guten Fernglases (so, jetzt weiss es Mutter auch)
  • Josua & Daniela, dass sie ihr Zuhause in Uzwil für uns geöffnet haben, und wir während unserer Schweiz-Aufenthalte bei ihnen wohnen durften. Wir fühlten uns in unserer «Alters-WG» sehr wohl! Und Silas danken wir, dass er uns sein Zimmer geliehen hat.
  • der ganzen Familie für die wunderschöne Schiffsglocke zum 50. Geburtstag … damals vor vielen Jahren. In der neuen Wohnung wird das unsere Türglocke werden
  • meinen Bruder Jan für die täglichen Wetterupdates auf den langen Passagen, für seinen treuen Dienst als Beisitzer im Vorstand des Extra Mile Sailing Club Switzerland und für das zur Verfügung stellen einer Kreditkarte (no worries, Bro, Rückzahlung folgt demnächst…)
  • Bea’s Bruder Marco und seiner Partnerin Sandra für die Hilfe bei der Grundreinigung und Inbetriebnahme der EXTRA MILE und für die tolle Erstfahrt von der Aktio Marina nach Egios im Herbst 2019
  • Kathrin für die Spende einer neuen Batteriebank für die EXTRA MILE
  • Andrea für das Sammeln und Weiterleiten der privaten Post
  • Sonja für die Hilfe beim Nähen der Kissenbezüge für die Gästekabinen
  • Marcel fürs Einbauen der Heizungsrohre auf dem Schiff und für das FEIN-Tool
  • Erna & Jonas für die Übernachtung in ihrer Finka in Andalusien und die anschliessende mehr oder weniger legale Autofahrt ins Corona-verseuchte La Linea
  • Monika für das Entgegennehmen und Weiterleiten der Post der hochamwind GmbH
  • FE-Agentur aus Baden für das Erstellen des schönen EXTRA MILE Logos zu Sonderkonditionen und Simeon für den kompetenten Websupport
  • Heiner fürs Abkaufen des überschüssigen Dinghys in Spanien
  • Diego für den coolen Paella-Workshop in Algeciras
  • Susi & Jan aus Speicher fürs lagern einiger Möbel
  • Olivia für die stellvertretende Leitung von hochamwind während Andy’s Offline-Zeiten
  • Mättu us Burgdorf fürs schöne Bugbrättli u si fachkundig Fernsupport bim epöxele
  • Markus & Isabel aus Cangas/Galizien für die Unterstützung mit Versicherungsformalitäten nach dem Orca-Zwischenfall
  • unzähligen Mitsegler/innen, welche uns Ersatzteile, Schweizer Käse, Schoggi, Zigarillos und andere Köstlichkeiten auf die EXTRA MILE mitgebracht haben
  • Fadwa für das megafeine, libanesische Znacht in Arrecife und Richard für die Tipps bei der Reparatur des Parasails
  • dem Vorbesitzer Jay für das Beantworten etlicher Fragen zum Schiff, und Ken, dem Mechaniker, für seine Erklärungen zum Schiffsmotor
  • Tirza, für die Besichtigung unzähliger Wohnungen
  • Adrian, dem segelnden Physiotherapeuten, für das Video mit den Rückenübungen (bin vom Niveau Blindschleiche schon bei der Sphinx angelangt, Cobra ist allerdings noch in weiter Ferne)
  • Wir danken unzähligen Boaties, die uns nebst ihrer Gesellschaft, Einladungen zum Apéro oder zum Znacht auch noch Fachwissen, Reviertipps, Ersatzteile, Werkzeug und frischgefangenen Fisch geschenkt haben
  • und last but not least, euch, der Leserschaft unseres Blogs, für euer Interesse an unserem Ergehen und die vielen Kontakte mit euch. Mögen sie uns erhalten bleiben.

Lebt wohl!
Andy & Bea