Am Ende des letzten Blogs waren wir noch auf St. Martin. Kurz darauf segelten wir zügig nach Grenada, der südlichsten Insel der Kleinen Antillen, und setzten ein paar Tagen später nach Trinidad über. In Chaguaramas wurde das Schiff in einer Werft aus dem Wasser geholt.
Das war Mitte Juli. Inzwischen haben wir einen Abstecher auf die südliche Halbkugel nach Brasilien gemacht. Mit dem Flugzeug, weil per Boot schlichtweg nicht machbar. Gegen Wind und den Äquatorialstrom zu segeln macht keinen Sinn, da kommst du nicht dagegen an. Tatsächlich fliesst diese Strömung an manchen Stellen so schnell wie der Rhein bei Basel. Wir flogen daher am 22. Juli via Panama und Manaus nach Belém, wo wir knapp einen Monat verbrachten.
Ich hatte zwischen 1997 – 2000 in dieser Millionenstadt an einer Schule gearbeitet und kenne aus dieser Zeit noch einige Leute in der Gegend. Manche von ihnen konnten wir besuchen. Auch mein Portugiesisch war rasch reaktiviert. So war es für mich eine mit Erinnerungen und Emotionen verknüpfte Reise in die Vergangenheit, für Bea das Erkunden eines neuen Landes mit seiner faszinierenden Kultur. Wir versuchen die Eindrücke mit Bildern und anhand einiger Stichworte zu umreissen.
Belém liegt im Norden Brasiliens im Bundestaat Pará am Mündungsdelta des Amazonas südlich des Äquators. Es war heiss, heisser noch als wir es von der Karibik kennen. Die Hitze kombiniert mit hoher Luftfeuchtigkeit war schon heavy. Viele Leute benutzen auf der Strasse den Regenschirm nicht nur als Schutz gegen den Regen, sondern auch als Schutz gegen die Sonne. Macht Sinn.
Während draussen die Sonne brennt, überwiegt in Innenräumen oft die Kälte. In Häusern, Geschäften, Schulen, Kirchen, Bussen brummen überall die Air Conditioner. Wo man vor 20 Jahren schwitzte, friert man heutzutage. Richtig eingestellt sind diese Anlagen ein Segen und wir waren mega froh, dass wir bei allen Gastgebern ein klimatisiertes Zimmer erhielten. Leider wird aber oft Klimatisierung mit Fortschritt gleichgesetzt und da sich Brasilien den Fortschritt auf die Fahne geschrieben hat, übertreiben sie es mit der Kälte. So steigt man z.B. nach einer 4-stündige Busfahrt als tiefgefrorenes Stück Fleisch aus dem Bus und freut sich über die wärmenden Strahlen der Sonne.
In Belém wohnten wir bei unseren Freunden Lea & Celestino. Mit ihnen erkundigten wir die Stadt und hatte zusammen viel Spass. Wir waren aber nicht nur in Belém. Je eine Woche verbrachten wir auf Marajó, einer Flussinsel im Amazonas-Delta, und in Mocajuba, einer kleinen Stadt am Tocantinsfluss.
Für Unterkunft haben wir in den 4 Wochen in Brasilien keine Rappen ausgegeben. «A casa é sua», sagt man hier dem Gast, «das Haus gehört dir. Du kannst hier so lange bleiben wie du möchtest, es ist uns eine Ehre, dass du hier bist.» Und das ist nicht bloss eine Floskel, sondern wirklich so gemeint. Oft gaben uns die Leute ihr bestes Zimmer, lasen uns alle unsere Wünsche von den Augen ab und einige Gastgeber liessen uns nicht mal auswärts etwas bezahlen. Das hätte sie beleidigt. Sie gaben sich grosse Mühe, den Aufenthalt für uns so schön wie möglich zu gestalten und hätten uns gerne noch länger behalten. Das hat uns beide sehr bewegt.
Es ging uns wirklich gut in Brasilien, einzig an das Duschen mit kaltem Wasser musste sich Bea gewöhnen. Es ist hier üblich, dass es im Haus kein heisses Wasser gibt. Am Nachmittag, wenn die Sonne den Wassertank erhitzt hat, ist das Duschwasser ziemlich warm, sonst ist es eben kalt, auch zum Haare waschen! Ich empfand bei 34° Lufttemperatur das kalte Wasser als wohltuende Erfrischung, aber Bea konnte diese Freude nicht mit mir teilen. Hat mir schon etwas leid getan, die Ärmste. Ich versuchte Bea mit der Aussage aufzumuntern, dass man in der Schweiz demnächst auch nur noch kalt duschen wird, erzielte damit jedoch nicht die gewünschte Wirkung 😉
Schon mal was von Cupuaçu, Goiaba, Açai, Muruci, Tapereba, Graviola, Guarana, Andiroba, Bacuri oder Acerola gehört? Es gibt hier viele Früchte und Nüsse, die eben nur hier in den Tropen wachsen und aus denen man leckere Fruchtsäfte oder Speisen zubereitet. Das Fruchtfleisch wird in gefrorenen Blöcken verkauft. Zu Hause schmeisst man das in den Mixer, etwas Wasser dazu, süsst ev. noch nach und fertig ist der Suco. Traumhaft! Auch feine Desserts oder Smoothies kriegt man überall mit diesen exotischen Geschmäckern.
Davon haben wir wenig mitbekommen. Wir hielten uns als Touristen natürlich an die Regeln, an die sich auch die Locals halten. Man trägt das Portmonnaie vorne in der Hosentasche, den Rucksack häufig auch vorne, passt auf, wo man auf der Strasse das Handy hervor nimmt und wo besser nicht, und schlendert nicht nachts alleine durch die Stadt. Logisch. Auffallend ist, dass alle Häuser vergittert sind. Geht nicht anders. Einmal hat der Uber-Fahrer die Scheiben hochgedreht und ist abrupt einen Umweg gefahren als er neben uns ein Motorrad mit zwei Typen bemerkte, die ihm nicht geheuer waren. Ansonsten war aus unserer Sicht mit Abstand das Gefährlichste der absolut chaotische Strassenverkehr.
Die Städte im Inland habe ich von früher als Velo-Städte in Erinnerung. Kurze Distanzen, kaum Steigung, ideale Bedingungen für den Langsamverkehr. Heute ist praktisch jede und jeder mit einem Motorrad unterwegs. Faszinierend, was man damit alles transportieren kann, z.B. eine 4-köpfige Familie. Helme und Schutzkleidung gelten hier als überbewertet, Flipflops gehen auch. Manchmal hält die Mutter noch ein Baby unter dem Arm oder stillt es während der Fahrt gerade.
Den Vogel abgeschossen hat aber einer, der quer auf dem Töff ein halbes Garagentor transportierte, welches der Sozius per Hand sicherte. Auch ein Motorrad mit selbstgebasteltem Anhänger hat mich fasziniert, auf welchem geschätzt eine Palette Backsteine geladen war. Wie der wohl um die Kurve kommt.?. Die Polizei winkt das durch, die haben andere Sorgen.
Lässt man die Stadt hinter sich, so findet man sich in Kürze in einer schier unendlichen Flusslandschaft wieder. Wasser wohin das Auge reicht, Inseln, tropischer Urwald durchschnitten von unzähligen natürlichen Kanäle, Mangroven, Häuser auf Stelzen.
An einem Tag besuchten wir von Mocajuba aus mit einem Schnellboot einige Familien, die organischen Kakao anbauen. Anbauen ist irgendwie das falsche Wort. Ihre Kakaobäume im Urwald sind über 100 Jahre alt. Die Farmer pflegen die Bäume, sammeln die Früchte ein, verarbeiten die Kakao-Bohnen und verkaufen sie für den Export. Auch das gemeinsame Mittagessen im Haus der Riberinhos (Flussbewohner) war ein tolles Erlebnis. Es gab Fisch, Poulet, Reis, Farinha (Maniokmehl) und natürlich Açai.
Diese dickflüssige, violette Flüssigkeit wird aus Früchten einer Palme gepresst, welche dort überall wächst. Açai wird im Inland täglich gegessen, entweder mit grobem oder feinem Maniokmehl als Beilage zu Fleisch oder Fisch, oder als Dessert mit Zucker. Man schreibt dem Saft alle möglichen Wirkungen zu, wie z.B. dass es die Hautalterung verlangsamt. Einige sagen, dass es viel Energie enthält, aber auch, dass es schläfrig macht. Es enthält auf jeden Fall eine Menge Eisen. Also haben wir viel davon gegessen, danach ein Schläfchen gemacht und beim Aufwachen gestaunt, wie jung wir doch aussehen!
Unser Bericht wäre unvollständig, wenn wir nicht über Fleisch und Fleischzubereitung auf dem Grill erzählen würden. Brasilien ist wahrlich kein Land für Vegetarier. «Ich grille, also bin ich», könnte man die brasilianische Seele zusammenfassen. Churrasco kommt glaubs noch vor dem Fussball. Man trifft sich mit Familie und Freunden und es wird grilliert, zusammen gegessen und die gemeinsame Zeit genossen. Herrlich! Auf den Grill kommt meist dickgeschnittenes Rindfleisch, das nur kurz zuvor mit grobem Salz bestreut wurde. Nix da Marinaden oder Saucen, das macht nur den guten Fleischgeschmack kaputt. Ein Freund sagte mir, er kaufe, wenn er grillt immer gleich einen ganzen Oberschenkel eines Rindes und schneidet das Fleisch dann selber. Kommt billiger und es bleibt garantiert auch nichts übrig, wenn er für seine grosse Familien grillt.
Im Restaurant funktioniert es so, dass man sich an einem Buffet Beilagen holt und der Kellner mit einem grossen Fleischspiess an den Tisch kommt. Er schneidet dir davon eine dünne Scheibe ab, so wie du es magst. Kaum ist er weg, kommt schon der nächste mit einem anderen Fleischstück und man isst so lange wie man mag. Alles zu einem äusserst fairen Fixpreis.
Leider waren die 4 Wochen in Brasilien schnell um und wir kehrten wieder nach Trinidad zurück, wo wir seither auf dem Schiff in der Werft leben. Der Abschied war nicht leicht und die brasilianischen Freunde legte uns nahe mit dem nächsten Besuch nicht wieder 20 Jahre zu warten… Habe den Wink verstanden und werde es beherzigen.
Das «National Hurricane Center» der USA hat im Frühjahr für 2022 eine überdurchschnittliche Hurrikan-Saison vorhergesagt. Dies aufgrund dem Zusammentreffen verschiedener Klimafaktoren, v.a. der höheren Oberflächentemperatur des Nordatlantiks.
Diese Prognose ist bisher aber nicht eingetroffen – worüber alle froh sind. Fakt ist: Ende August wo normalerweise ein Hurrikan den anderen jagt, läuft (noch) gar nichts. Der Grund ist der Sahara-Staub. In diesem Sommer wird ausserordentlich viel Staub von der Sahara mit Höhenwinden über den Atlantik geweht. Der Staub in hohen Luftschichten schirmt einen Teil der Sonnenstrahlung ab, und somit fehlt den nach Westen über den Atlantik wandernden Tiefdruckgebieten die Energie um zu einem Sturmtief oder gar einem Hurrikan anzuwachsen. Das kann sich aber rasch ändern und dann wird’s in der Karibik brenzlig. Hier die aktuelle Prognose aus windy.com, wo man die Windprognose als Animationsfilm sehen kann. Wir sind in Trinidad ausserhalb des Hurrikan-Gürtels und wähnen uns daher in Sicherheit. Möglicherweise kommt da Anfangs September etwas auf die Bahamas zu…
(verschiebe auf der Zeitachse unten das Datum, klicke ins Bild um die Böengeschwindigkeit zu sehen)
Wir werden zuerst mal in der Werft in Chaguaramas/ Trinidad bleiben. Wir haben noch eine Liste von rund 20 kleinen und grossen Projekten an unserem Schiff zu erledigen und rechnen dafür mal einen Monat ein. So wird es etwa Ende September bis wir wieder ins Wasser kommen und dann planen wir zur Nachbarinsel Tobago zu segeln. Alle schwärmen von Tobago und es liegt immer noch südlich der üblichen Hurrikan-Zugbahn.
Die weitere Grobplanung sieht folgendermassen aus:
Sept: Werft in Trinidad
Oktober: Tobago und Grenada
November: Ausbildungstörns ab Martinique
Dezember: Weihnachten in der Karibik
Januar: zwei Törns: Martinique – Bonaire und Bonaire – Kuba
Februar: Kuba
März: Kuba