Kuba Monument Santiago
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ZWISCHEN LEBENSFREUDE UND REPRESSION

Du weisst, dass du in Kuba bist, …

wenn du ein Taxi bestellst und es kommt ein Ford Baujahr 1956
wenn du dich freust, dass es im Laden heute ausnahmsweise Hörnli zu kaufen gibt (statt nur Spaghetti oder gar keinen Teigwaren)
wenn es Wahlen gibt und man kann nur eine Partei wählen
wenn die Autos vor der Tankstelle Schlange stehen, nicht bis sie dran kommen, sondern bis der Tanklastwagen überhaupt Benzin an die Tankstelle liefert
wenn du für 4 Mojitos in einer Bar weniger als 10 Franken ausgibst
wenn man Medikamente auf dem Schwarzmarkt via WhatsApp bestellt
wenn du auf der Strasse alle 30 Sekunden mit «Change Money?» angequatscht wirst
wenn du extra um 5 Uhr morgens aufstehst um am Computer zu arbeiten, weil nur dann das Internet einigermassen schnell ist

unser Taxi von Havanna nach Cienfuegos

So werden kubanische Zigarren gerollt

Es ranken sich diverse Mythen um die kubanischen Zigarren, z.B. dass eine gute kubanische Zigarre aus 7 vollständigen Tabakblättern besteht (stimmt nicht) oder dass das letzte Blatt auf dem Oberschenkel einer 18-jährigen Kubanerin gerollt wird… (stimmt leider auch nicht). So wird’s gemacht. Habe die Erklärungen des Guides auf einem Ausflug in einem kurzen Video zusammengeschnitten.

Wenn der Wind zu deinen Gunsten dreht

Wir hatten uns sehr auf den Besuch von Josua & Daniela gefreut. Sie sind die Freunde, bei denen wir in den letzten Jahren jeweils wohnten, wenn wir in der Schweiz waren. Auch nach unserer Rückkehr im Mai werden wir wieder einige Woche bei ihnen in Uzwil hausen, bevor wir in eine eigene Wohnung ziehen. Jetzt waren sie unsere Gäste und konnten unser Leben auf dem Wasser kennenlernen.

Wir hatten mit ihnen einen gemütlichen Segeltörn ab Cienfuegos nach Cayo Largo geplant. Cayo Largo ist eine wunderschöne Insel südlich von Cienfuegos, ist touristisch stark ausgebaut und hat sogar einen eigenen Flughafen. Von dort würden unsere Freunde nach dem Segeltörn wieder nach Havanna fliegen und anschliessend zurück in die Schweiz. Das war der Plan.

Baden in einem der «Pools» auf Cayo Largo, einer Sandbank mit hüfttiefem, glasklarem Wasser

Der Rochen war ganz zutraulich, schwamm bis auf wenige Meter zu den Füssen heran und drehte dann wieder ab.

Doch Kuba funktioniert anders. Trotz intensiver Bemühungen gelang es nicht, Flugtickets von Cayo Largo nach Havanna zu kriegen und irgendwann sickerte die Info durch: Der Flugbetrieb in Cayo Largo sei bis auf weiteres eingestellt. Auch andere Optionen mit Fähre und Bus scheiterten an der überregulierten, kubanischen Bürokratie. Somit blieb als einzige Option von Cayo Largo aus wieder zurück nach Cienfuegos zu segeln, von wo aus Josua & Daniela mit einem Taxi nach Havanna fahren würden. Für Bea und mich hätte diese Variante einen beachtlichen Umweg bedeutet, der uns zeitlich unter Druck gebracht hätte.

Josua auf seinem Lieblingsplatz vorne auf dem Bug

Doch dann kam ein Wetterumschwung. Als wir in Cayo Largo waren, kündigte sich viel Wind an. Eine Störung würde zuerst Starkwind aus Nordost bringen, der dann über Ost auf Süd drehen sollte. Die Idee kam auf, ob wir nicht alle zusammen nach Havanna segeln könnten. Ich rechnete die Prognose im Detail am Computer durch und schnell wurde klar: Das ist der ideale Wind um zügig um die Westspitze Kubas herum nach Havanna zu segeln. Statt also gegen den Wind zurück nach Cienfuegos zu kehren und dann auf das nächstgünstige Wetterfenster zu warten, würden wir mit dem Wind segeln und in 60 Stunden bereits schon in Havanna sein. Alle waren einverstanden und so wurde dem gemütlichen Badetörn eine 2 ½ tägige non-stop Passage hinzugefügt. Wir waren unseren Gästen für ihre Flexibilität sehr dankbar.

Seit 11 Monaten hatte der Rumpf der EXTRA MILE die Wasser der Karibik durchpflügt. Auf dieser Passage verliessen wir geografisch gesehen das karibische Meer und segelten durch die Yucatanstrasse in den Golf von Mexiko. Wir rundeten das Cabo de San Antonio (Westspitze Kubas) und folgten weiter der Küste Richtung Nordosten nach Havanna. Das Cabo de San Antonio bildete für uns einen Wendepunkt: Hier hatten wir den westlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Ab jetzt segelten wir sozusagen zurück nach Osten und auch gefühlsmässig zurück in Richtung Heimat.

Leuchtfeuer von Cabo de San Antonio, 21°51,9’N 84°57,1’W

Im Morgengrauen des 3. Tages taucht die Skyline von Havanna vor uns auf.

Für Josua & Daniela war die Passage eine spannende Erfahrung. «Auch wenn wir aus dem Blog immer wieder vieles über eure Reisen erfahren haben, so können wir erst jetzt nachvollziehen, wie ihr während der letzten 3 Jahre gelebt habt», meinten sie danach.

Havanna von der schönsten Seite

Toll war, dass wir daraufhin zu viert Havanna unsicher machen konnten. Solange man als Tourist die Augen vor den häufig unhaltbaren Lebensumständen in Kuba verschliesst, kann man es sich hier ganz gut gehen lassen. Gutes Essen, günstige Drinks, tolle Oldtimer, eine interessante Geschichte und natürlich Zigarren und Rum. Hin und wieder darf und muss dies sein.


Der unschätzbare Wert der Freiheit

In Kuba wurde uns vor Augen geführt, wie frei wir Schweizer sind. Die Kubaner sind es nicht. Vieles, was für uns selbstverständlich ist, ist in Kuba verboten. Kubaner dürfen zum Beispiel nicht frei reisen, nicht ins Ausland und selbst die Inlandreisen sind eingeschränkt. Sie dürfen in ihrem Land nicht dorthin zügeln wohin sie wollen und sie dürfen sich nicht kritisch zur Regierung äussern.

über den Dächern von Havanna

Wir nahmen in Havanna zwei mal an einer Free Walking Tour teil. Das sind Stadtführungen, die gratis sind und wo man am Schluss der Tourleitung so viel gibt, wie man denkt, dass es die Führung wert war. Auf der zweiten Tour durch das neue Havanna fragte ich die junge Leiterin, wie die Leute heutzutage zu den Errungenschaften der Revolution stehen. Eine heikle Frage. Sie erzählte darauf von ihren Eltern, welche die Revolution im Jahre 1959 miterlebt hatten. Der Vater war arm und bekam dank der Revolution ein Haus und konnte auf Staatskosten eine universitäre Ausbildung machen. Für ihn war die Revolution ein Segen. Die Mutter hingegen kam aus reichem Haus, ihre Familie verlor damals alles. Ich wollte es noch genauer wissen und hakte nach: «Und wie denkt denn die junge Generation über die Revolution?»

Hier merkte man der Leiterin an, dass ihr die Antwort nicht leicht fiel und sie vorsichtig sein musste. Sie hätte Ihren Job nicht lange, wenn sie nicht systemkomform antworten würde. «Das Wichtigste für die junge Generation ist die Freiheit…», sagte sie, wischte sich unauffällig mit dem Ärmel eine Träne ab, nahm Haltung an und machte mit dem Programm weiter.

Damit war alles gesagt. Fakt ist, allein im letzten Jahr haben 2% der Gesamtbevölkerung das Land verlassen und zwar grösstensteil junge Leute. Wo wird Kuba in ein paar Jahren stehen, wenn die junge Generation abwandert?

Nicht aufs Schiff!

Was die Kubaner auch nicht dürfen, ist segeln. Wir lernten in Havanna Nicole kennen, eine Schweizerin, die mit ihrem kubanischen Mann Gilberto schon seit vielen Jahren in einem kirchlichen Projekt auf Kuba arbeitet. Wir luden die ganze Familie ein zu uns aufs Schiff zu kommen und mit uns für ein paar Stunden vor Havanna zu segeln. Die Vorfreude war gross – und kurz.

«So was geht gar nicht!», erklärte mir der entsetzte Hafenmeister auf Anfrage. Nicole (Schweizerin) darf mit uns segeln, aber Gilberto (Kubaner und Schweizer) und die zwei Kinder (auch mit beiden Pässen aber in Kuba geboren) dürfen nicht aufs Meer. Um eine Lösung bemüht fragte ich, ob uns die Familie wenigstens im Hafen auf dem Schiff besuchen dürfe, wir würden nicht auslaufen.

SY EXTRA MILE in der Marina Hemingway, Havanna

Ja, das könnte gehen, meinte der Hafenmeister. Ich müsse Personalien, Passnummer und Adresse angeben und er werde das Gesuch an die Geschäftsleitung der Marina weiterleiten. (Aha, damit beschäftigen sich diese Leute also den ganzen Tag im Büro…). Als ich dann am nächsten Tag die Bewilligung im Marina Office abholte, kam der Hammer: Gilberto darf nicht auf unser Schiff kommen. Die Mutter und die Kinder schon, aber der Vater nicht.

Ich zeigte sichtlich meine Enttäuschung und wendete ein, dass es im Hafen ja ein öffentliches Restaurant gäbe, wo tagtäglich Kubaner ein- und ausgehen.

«Ja», meinte der Hafenmeister, «Gilberto darf in den Hafen kommen, aber nicht aufs Schiff. Er darf zum Beispiel neben dem Schiff am Steg stehen und mit uns schwatzen, aber an Bord kommen darf er nicht.»

In diesem Moment zerbrach in mir ein wesentlicher Teil der Faszination für dieses an sich tolle Land. Wie absurd ist das denn! Diese staatliche Willkür, der man als Bürger und teilweise auch als Tourist unterworfen ist, machte mir echt zu schaffen. Vieles in Kuba ist nur darum schwierig, weil es der Staat (aus meiner Sicht) völlig unnötig schwierig macht. Wie kann man so leben? – Interessanterweise nahm es Gilberto locker. Er war sich nichts anderes gewohnt und wusste, dass es sich weder lohnt gegen solche Bestimmungen zu opponieren, noch grummelig die Faust im Sack zu machen. So besuchten uns Nicole mit den zwei Jungs in der Marina und wir sahen Gilberto am nächsten Tag bei ihnen zu Hause. Es hat uns beeindruckt wie sie mit solchen Widrigkeiten umgehen können. Obschon sie ohne weiteres in die Schweiz ziehen könnten, haben sie sich für ein Leben und Wirken in Kuba entschieden.

Die Jungs lernen wie man eine Winch bedient und Segel setzt.

Wenige Tage später verliessen wir Kuba. Insgesamt haben wir rund zwei Monate auf dieser Insel verbracht. Als wir aus der Marina Hemingway aufs offene Meer ausliefen, fühlte es sich an, als sei uns soeben die Flucht aus einem Gefängnis geglückt. Wir setzten die Segel und unser Kurs führte uns entlang der Küste an Havanna vorbei. Vermutlich blickten nun Tausende Augenpaare zu dem kleinen, weissen Segelboot auf dem tiefblauen Meer hinaus und womöglich dachte sich mancher: Die habens gut, die können gehen wann und wohin sie wollen – die sind frei.

Flüsse im Meer

Bild aus Windy.com. Der Golfstrom hat bei Florida eine Geschwindigkeit von 3kn (knapp 6 km/h)

Riesigen Förderbändern gleich winden sich Meeresströmungen durch die Ozeane und selbstverständlich segelt man wenn immer möglich mit der Strömung, nicht dagegen. Für unsere Passage von Havanna zu den Bahamas lag so ein Förderband direkt vor der Haustür, der Golfstrom. Er würde Bea und mir die Fahrt um Florida herum massiv verkürzen und uns rasch zu den Bahamas tragen. Normalerweise segeln wir mit einer Geschwindigkeit von 6 – 8kn. Auf dieser Strecke lag unser Speed dank dem Golfstrom über mehrere Stunden im zweistelligen Bereich und wir erreichten die erste Bahamas-Insel lange vor dem errechneten Zeitpunkt.

Unterdessen haben wir auf den Bahamas einklariert und sind in Nassau angekommen. In einer Woche kommen zwei Freundinnen für einen gemütlichen, letzten Ferien-Badetörn. Wir drehen mit ihnen eine Runde zu den Exumas und vielleicht nach Eleuthera. Danach übergeben wir in Nassau die EXTRA MILE dem neuen Eigner, gehen von Bord und fliegen anfangs Mai in die Schweiz zurück.

Als Ausklang ein Zusammenschnitt kubanischer Musik, gefilmt während der Zeit auf Kuba.